VÖ: 1988 (Original) / 2017 (Re-Release)
Label: Noise Records / BMG
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 /10
Als dritte Wiederveröffentlichung der „Noise“-Years von Voivod darf letztendlich „Dimension Hatröss“ - der Meilenstein – nicht fehlen. Ein Album, daß im technischen Thrash Geschichte geschrieben hat und eine ganz eigene Geschichte erzählt. Diese nehmen wir hier nochmal auf...
Wo „Killing Technology“ noch ein Stelldichein von Brutalität und Chaos war, brachte „Dimension Hatröss“ den Sound der Band einen großen Schritt weiter. Komplexe Zeiten und gegenläufige Akkorde beherrschen die Szenerie immer noch, jedoch werden diese mit mehr technischem Know-How und Erfahrung inszeniert.
„Dimension Hatröss“ war das Album, bei welchem wir teilhaben durften, wie Voivod durch den Kosmos sägt und in eine andere Dimension von Aussehen und Sound eintritt. Für damalige Verhältnisse war das Album sehr aufwendig und seiner Zeit weit voraus. In einer Zeit wo alle Metallica anbeteten, gab es also ein mechanisches Wesen, daß auf der anderen Seite sein musikalisches Zeugnis ablegte. Nie war die Welt vorher so düster und so schön in einem Augenblick.
„Dimension Hatröss“ ist die unglaubliche Geschichte des Voivod-Charakters, der in eine Gesellschaft von totalitärer Herrschaft eingetaucht ist, wo die Bürger Gehirnwäsche unterliegen und gezwungen sind, alle Individualität abzulegen. Voivod vertonen diese Geschichte quasi mit ihrem eigenen, unnachahmlichen Soundtrack. Musikalische Arrangements, die mit Spannung aufwarten, die Emotionen, die sich überschlagen, einen Strudel der Stimmungen schaffen, die alle miteinander in Konflikt stehen. Die Gitarrenarbeit an diesem Album ist im wahrsten Sinne des Wortes überirdisch. Eine ganze Reih von Effekten helfen Piggy den Kosmos für Voivod zu schaffen auf dem sie jahrelang wandern sollten. Snake's Vocals führen einen psychotischen Ton an, um der ganzen Geschichte Glaubwürdigkeit und Esprit zu verleihen. Die Rhythmusfraktion um Blacky und Away schaffen eine bedrohliche Soundwand, um ein Gefühl der allgegenwärtigen Angst zu erzeugen.
"Experiment" eröffnet die Scheibe und erzählt die technische Geschichte der vom Voivod-zerschlagenen Atome und der Erschaffung eines neues Universums. High Energy-Riffs mit komplexen Tempovariationen bereiten das Feld für das gesamte Album, das uns als nächstes zu "Tribal Convictions" führt. Das drohende Rumpeln von Blacky und Away unterlegt dieses Biest einer Melodie und katapultiert Voivod in eine neue Dimension. Das massive Intro verleiht der Melodie ein episches Feeling und ich habe mich oft gefragt, warum sie das Album nicht mit dieser Melodie weitergeführt haben. In dieser Hinsicht würde es allerdings die Geschichte nicht in gleicher Weise rüberbringen. Es ist eine absolut brillante Melodie, absolut mächtig und zum Niederknien.
"Chaosmongers" und "Technocratic Manipulators" stellen die kriegführenden Fraktionen der neuen Dimension vor, wobei die Chaosmongers diejenigen sind, die den Regeln der regierenden Bevölkerung, den Technocratic Manipulators entgegenstehen. "Chaosmongers" ist ein Hochgeschwindigkeits-Thrash-Fest, das tonnenweise Piggy's Sechs-Saiten-Akrobatik vorweist, während "Technocratic Manipulators" eine Flut von heftigen Tempiwechseln beinhalten, welche die Angst des Voivods im Kampf gegen die Autoritären vertonen. Ein unglaubliches Break in der Mitte bildet den Höhepunkt.
"Macrosolutions to Megaproblems" startet die zweite Hälfte des Albums, wo die Chaosmongers nun gegen die totalitäre Herrschaft auflehnen. Feindseligkeiten und Krieg brechen aus. Die Musik ist zerfahren, voller plötzlicher Breaks und klingt teilweise wie schleppende Kriegsmaschinen und wütende Explosionen. Dieser Track fängt das Wesen der Band am besten ein. Wenn man wissen will, wie Voivod klingen, ohne ihren gesamten Backkatalog durchzuhören, sollte man sich diesen Song reinziehen.
"Brain Scan" und "Psychic Vacuum" sind beides Tracks, die den Voivod zeigen, der von einer psychischen Entität besessen ist und die Kontrolle über den Geist bekommt, dass er vorher unterlegen war. Musikalisch ist der Song technisch anspruchsvoll, eben so wie die Band damals war. Snake' Performance bei diesen beiden Nummern bringen die Paranoia und das Drama vörzüglich rüber. Die Musik ist so dermaßen groß und weitläufig, dass es einen körperlich anstrengt. Dazu passend, sind es die Tracks, die den Höhepunkt der Geschichte erfassen. Somit ist es kein Wunder, dass sie so episch und lebendig klingen. Das Album schließt mit "Cosmic Drama" und der psychischen Vernichtung des Universums. Mmit einer unheimlichen Gitarrenpassage eröffnend und der Kakophonie einer explodierenden Welt, fungiert dieses Lied als Übergang zum noch weiter fortgeschrittenen Opus „Nothingface“, welches auf „Dimension Hatröss“ folgen sollte.
Auch nach vielen Jahren des Hörens dieses Albums , ist es „Dimension Hatröss“ ein Zeugnis für die Stärke von Voivod in den 80er Jahren. Man kennt die Geschichte hinter dem Konzept des Albums aber es beeindruckt einen immer noch. Die Band schuf einen Charakter, der versuchte, dem Hass der Welt zu entgehen, in der er lebte, nur um herauszufinden, dass die utopische Gesellschaft, die er wollte, genauso durcheinander war wie die, welche er gerade verließ. Voivod schufen damals eine wunderbare Welt und verwob sie mit sozialem und politischem Hintergrund, welcher auch heute noch zeitgemäß ist. Für mich ist es ein wirklich zeitloses Musikwerk....
Als Schmankerl dieser Wiederveröffentlichung spendiert man als zweite CD diesmal eine erneute Live-Darbietung im Spectum/Montreal. Diesmal von 1988, als man „Dimension Hatröss“ quasi komplette aufführte (nur „Cosmic Drama“ fehlt), allerdings nicht am Stück sondern immer wieder zwischendurch ergänzt durch Songs der Vorgängeralben. Die DVD beinhaltet diesmal als Audio das komplette Demo von „Dimension Hatröss“ von 1987 und visuell diverse Live-Darbietungen aus den USA von 1988, sowie ergänzend Fotomaterial in Form von Artworks und Live-bzw. Studioaufnahmen.
Mit „Dimesion Hatröss“ hat man als Abschluss der drei Wiederveröffentlichungen die frühen und essenziellen Jahre von Voivod aufgearbeitet und mit einer Fülle von Bonusmaterial erneut in Erinnerung gebracht. Diese expanded Editions machen sich gut im CD Schrank und sind definitiv ein Muß für den Voivod Fan, auch wenn er, wie erwähnt, die Original-Alben schon besitzt. Ein tolles Zeitzeugnis für eine tolle Band während ihrer größten Phase. Piggy (R.I.P.) würde es zu schätzen wissen.
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