VÖ: 12.04.2020
Label: Artisjus
Autor: Rainer Kerber
Bewertung: 7,5/ 10
Texte in der Muttersprache haben in Ungarn eine lange Tradition. Geschuldet war das zum großen Teil auch der politischen Führung dieses Landes. Lediglich Bands, die sich auf dem westeuropäischen Musik-Markt etablieren wollten, veröffentlichten zusätzlich englischsprachige Versionen ihrer Alben (Omega, Locomotiv GT). Es gab auch Songs in Deutsch, für die Fans in der DDR. Inzwischen gibt es dieses strenge Reglement nicht. Viele aktuelle Bands nutzen Englisch. Umso erfreulicher, dass Bands wie The Fallen an dieser alten Tradition festhalten, auch wenn der Bandname etwas anderes erwarten lässt. Über die Geschichte dieser Band ist nicht viel bekannt. Alles begann damit, dass eine Gruppe von Freunden sich sagte “Hallo! Wir alle lieben Musik, und wir alle lieben es Musik zu machen. Warum tun wir uns nicht zusammen und gründen eine Band?” Gesagt getan. Jetzt liegt auch die erste EP “Mivé Lettem” vor.
Und auch das hat Tradition in Ungarn. Bands die abseits der ausgetretenen Pfade wandeln. Knarzende Gitarren, treibendes Schlagzeug, und ein zwar melodiöser aber auch etwas schräg klingender Gesang. So zu hören bei “Báb”. Hier wird bewusst auf zu große Eingängigkeit verzichtet. Der Sound soll einfach nur auf die Zwölf hauen. Auch “Álmomban” klingt eher gehetzt, mit leicht punkiger Attitüde. Dass die Ungarn aber auch melodisch können, zeigt der Refrain. Speed-Thrash-Punk. So könnte man den Titelsong “Mivé Lettem” umschreiben.
Oh Wunder, “Átkozott” startet mit cleanen Gitarrenklängen und harten Riffs. Der wohl eingängigste Song mit wenig Ecken und Kanten. Ohne allerdings jemals dem Mainstream zu verfallen. Das anschließende “Nem Vagy Egyedül” kann man schon fast dem Hard Rock zuordnen. Mit “Vámpír” findet sich auch eine Power Metal Ballade auf der EP. Das ist für mich gemeinsam mit “Nem Vagy Egyedül” der mit Abstand beste Song. Man höre sich nur das geniale Gitarrensolo an und genieße. Fieses Lachen zu Beginn von “Sátántangó”, dann folgt ein Speed-Kracher par excellence. Eine Mischung aus Speed Metal und Punk.
Im Pressetext kann man lesen, dass die Band in den sieben Songs der EP fünf verschiedene Stile zusammenführt. Das kann man nach mehrmaligem Hören nur unterstreichen. Mit ihrer Experimentierfreude erinnern mich The Fallen ein wenig an die bereits erwähnten Locomotiv GT. Allerdings erreichen die Songs nicht die Genialität und Abgefahrenheit der Kompositionen eines Gábor Presser. Diese Vielfalt ist Segen und Fluch zugleich. Zum einen spricht es für die Musiker, dass sie ein breites Soundspektrum abdecken können. Alles auf einer EP zusammengepackt lässt aber etwas die Struktur vermissen. Es hat den Anschein, als wären The Fallen noch in der Findungsphase. Da kann man gespannt sein, was die die Zukunft so bringt
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