VÖ: 05.10.2018
Label: Eigenregie
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5 / 10
Bei der von uns rezensierten EP „Astoria“ der Band vom Wildsteig, Sweeping Death, kritisierten wir trotz aller bereits vorhandenen spielerischen Klasse, Mängel im Sound und Songwriting. Das kam nicht überall so gut an, aber wir sind der Meinung, man muß eine erste ernstzunehmende Veröffentlichung nicht über alle Maßen loben, sondern vorhandene Defizite aufzeigen. Dies bringt einer Band viel mehr, um im Bestreben nach Perfektion noch mehr Gas zu geben, als wenn man bereits zu Beginn höchste Weihen genießt und die nachfolgenden Arbeiten dann abfallen.
Und was sagt man ? „In Lucid“, das just erscheinende Album, hat die „Fehler“ nahezu ausgemerzt. Sweeping Death können mit dem neuen Werk absolut in der höchsten Liga der Prog-/Thrashmetal Bands mithalten und haben die fast zweijährige Zeit zwischen den Veröffentlichungen genutzt, um spielerisch zu einer festen Einheit zu verwachsen. Nichts klingt mehr nebeneinander oder nicht nachvollziehbar, in puncto Songwriting hat man also einen großen Schritt nach vorne gemacht.
Daß es dabei nicht allzu fröhlich zu geht, verdeutlicht bereits das knapp über 1-minütige Intro „Eulogue“, bestehend aus diversen Moll-Pianoklängen. Das Feuerwerk progressiven Metalls erfolgt dann mit der Eröffnungsnummer „Blues Funeral“. Die Gitarrenriffs werden verzerrt, klarer Shoutgesang von Elias Witzigmann wechselt sich ab mit fast Death-artigen Screams im Refrain. Die Bayern bieten bereits in diesen ersten 5 Minuten des Albums eine Vielzahl an Facetten ihre Könnens. Melodischer Gitarren-Thrash trifft auf Progressive Metal mit manch vertrackten Rhythmen, die auch einer Band wie Voivod oder neueren Bands wie Gojira gut zu Gesicht stehen würden. Doch was wäre solche Musik ohne entsprechende Breaks. Hier folgt eins in Form von Akustik-Gitarrenmomenten und Sprechgesang. Toller Opener !!
Richtig schnell wird’s danach mit „Horror Infernal“, von dem es mittlerweile auch ein Video (siehe unten) gibt. Speed-Thrash mit so einer Art Schmier-Gesang (Destruction) und technisch äußerst hochklassig, entpuppt sich der Song zu einer echten Granate. Die im Vergleich zu dem dann folgenden, 10-minütigen Longtrack, „Suicide of a Chiromantist“, noch recht kurz ausfällt. Bei dieser langen Nummer holen Sweeping Death zum großen Schlag aus. Es treffen frickelige Gitarrenthemen auf abgefuckte Vocals, Tempoverschleppungen mit Breakdowns bzw. Breaks mit Piano und ruhigen Gitarrenläufen inklusive harmonischem Gesang. Dann wieder härtere Passagen, erneutes Break bevor das Stück ruhig ausklingt. Immer wieder werden Vergleiche zu Opeth in Bandkontext gezogen. Bei diesem Song weiß man vielleicht, warum. Ganz große Progmetal-Kunst, mit eigenen Ideen.
Wie verwurzelt aber die Band auch in der Klassik-Musikwelt ist, zeigt das 3-minütige, rein aus Pianospiel bestehende „Purpose“. Ideal zum Verschnaufen, oder gar zum Nachdenken. „Resonanz“ nimmt dann wieder den Faden auf. Frickelig-melodische Gitarren von Markus Heilmeier und Simon Bertl bilden das Gerüst mit abgehackten Rhythmen im Gepäck und nach einem Break mit melodischen Soli gespickt. Elias performt bei diesem Song wohltuend in Klargesang.
Tobias Kasper, der neben den Drums auch für die Tasteninstrumente zuständig ist, integriert neben den bisherigen Piano-Passagen nun auch feine Keyboards bei „Antitecture“, die sich mit den Gitarren das Soundgerüst teilen. Der Song beginnt eher gemächlich, entfaltet einen typisch flotten Prog-Rhythmus und liegt aber dennoch stilistisch eher im Midtempo-Progmetal. Kirchenorgel, Akustik-Gitarre....Zeit für den Quasi-Titeltrack „Lucid Sin“. Wieder operieren Sweeping Death recht vertrackt und an der Eingängigkeit vorbei. Klassische Themen werden hart aufgeführt und kehren wieder. Der rauhe Shoutgesang von Elias lässt den Begriff Thrash in dieser knapp 8-minütigen Nummer zu. Ein weiterer Beweis für das Songwriting-Verständnis, welches sich die Band mittlerweile angeeignet hat.
Beim abschleßenden „Stratus“ lässt man nochmal richtig die Prog-Sau raus. Mit einem Rhythmus, der in die Vollen geht, Stakkato-Klänge mit Gesang tackern sich ins Gehirn, der Refrain wird einfach mal rausgebrüllt und den Song kann man durchaus als den aggressivsten des Albums bezeichnen. Ein echter Härtetest für den Hörer, obwohl ein feiner, gedoppelter Gitarrenpart das Ohr verwöhnt.
Sweeping Death haben es geschafft, zumindest musikalisch den Sprung in die allererste Progmetal-Liga zu schaffen. Ob das auch vom Erfolg her jetzt schon gekrönt wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht haben wir mit unserer Kritik zur EP ja dazu beigetragen, daß sich die Band so toll entwickelt hat. Man darf sich auf diesen tollen musikalischen Nachwuchs freuen und wir sind gespannt, wo die Reise der Band noch hinführt. Klasse Arbeit, Jungs.
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