VÖ: Mai 1985
Label: A&M Records
Autor: David Kerber
Bewertung: 9 / 10
„Brother Where You Bound“ heißt das achte Studioalbum der britischen Pop-/Rockband Supertramp und ist deren erstes ohne das Gründungs- und langjährige Bandmitglied Roger Hodgson, der die Gruppe 1983 verlassen hatte. Somit war Rick Davies das einzig verbliebende Gründungsmitglied und nun ganz allein für Songwriting und Gesang verantwortlich. Für das Album konnten einige hochkarätige Gastmusiker wie David Gilmour (Pink Floyd) oder Scott Gorham (Thin Lizzy) gewonnen werden. Und obwohl die Musik nicht mehr ganz so kommerziell angelegt war wie noch zu „Breakfast in America“-Zeiten, konnte das Album einige Chartserfolge, u. a. Platz 4 in den deutschen Albumcharts, feiern.
Der Opener „Cannonball“ vermittelt mit seinen Keyboards und Beats zwar ein bisschen Discoflair, aber der Rest des Albums ist eher progressiv und auch recht düster gehalten. Natürlich fehlen die für Supertramp typischen Bläser nicht. Aber der Reihe nach: Wie schon gesagt erinnert „Cannonball“ an den typischen Disco-Pop der 80er Jahre und bildet somit einen locker-flockigen Einstieg ins Album. Zum Ende des Songs gibt’s noch Bee Gees-artige „Cha-la-la“ Gesänge.
„Still in love“ beginnt mit einem kurzen Saxophonintro und driftet dann in die Rhythm & Blues Schiene ab, stilecht mit reichlich Saxophon im Mittelteil und weiblichem Chor im Hintergrund.Mit „No inbetween“ folgt eine quasi Akustikballade mit Glockenspiel, Klavier und leichter rhythmischer Begleitung durch Bass und Schlagzeug. Eine wunderschöne Ballade, die zum Träumen und entspannen einlädt.
Den Schlusspunkt der ersten LP-Seite bildet das imposante „Better Days“, mit bombastischem Intro, Live-Sounds und Zitatschnipsel von Reden der vier Hauptakteure der 1984er-US-Wahlkampagne, Geraldine Ferraro und Walter Mondale (linker Kanal) und George H. W. Bush und Ronald Reagan (rechter Kanal), welche im ausgedehnten Fadeout des Songs erneut zu hören sind. Im Mittelteil des Liedes befindet sich ein kurzes Querflöten-Solo von Scott Page.
Die zweite LP-Seite wird fast vollständig vom epischen Titelstück, dem 16½-minütigen, äußerst lyrische „Brother Where You Bound“ eingenommen. Als längstes Lied der Bandgeschichte besteht es aus mehreren Teilen und hat viele Tempowechsel. Scott Gorham und David Gilmour übernahmen die Gitarren, Scott die Rhythmus- und David die Hauptgitarre. Und David beweist mit einem fantastischen Solo in bester Pink Floyd Manier, dass er zu den besten seines Fachs gehört. Und da 16½ Minuten recht lang sind, fanden Supertramp noch Platz um Lesungsauszüge aus dem Roman 1984 von George Orwell die Melodie der Internationale im Hintergrund unterzubringen. Ein epischer Prog-Song, der anderen elegischen Kompositionen bekannter Bands wie Yes oder eben Pink Floyd durchaus das Wasser reichen kann.
Den Abschluss bildet das kurze balladeske „Ever open door“, das ausschließlich aus Klavier, Tamburin und Gesang besteht. Supertramp ist mit „Brother Where You Bound“ ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Album gelungen, das die Band auch mal von einer anderen Seite zeigt, als die, die man ständig im Radio hört.
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