VÖ: 18.02.2022
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5 / 10
Neben seiner Hauptarbeit Ayreon bringt der Niederländer Arjen Lucassen gefühlt alle 10 Jahre ein Album seiner Nebenspielwiese Star One heraus. Gar 12 Jahre sind vergangen seit dem letzten Werk „Victims Of The Modern Age“. Dabei ist die Herangehensweise beider Projekte recht ähnlich. Die Ideen werden ausgearbeitet und sich dann ein Sack voll teils prominenter Musiker/Sänger geholt, um die musikalischen Visionen des Genies umzusetzen. Musikalisch weicht Star One trotz aller Gemeinsamkeiten (Gastmusiker, lyrische Konzepte) von Ayreon aber etwas ab. Die Songs sind meist härter und operieren mehr im Progmetal, während Ayreon sich eher im Progrock-Bereich bewegt.
Geht’s bei Ayreon mehr fantasymäßig zu, schippert Star One im Weltall umher und liefert meist futuristische Themen. Für das neue Album „Revel In Time“ hat sich Arjen alte SciFi-Filmklassiker zur Brust genommen, bei denen es auch um Zeitreisen geht und in jedem der 11 Songs einen anderen Film vertont. Auch fährt Star One zu jedem Song eine(n) andere(n) Sänger/Sängerin auf, was ebenfalls einen Unterschied zu Ayreon bedeutet, da dort meist einzelne Part innerhalb eines Songs von verschiedenen Interpreten eingesungen werden.
Los geht’s mit „Fate Of Man“ und spacigen Keyboards. Der Song steigt als flotter Rocker ein mit Brittney Slayes (Unleash The Archers) am Mikro. Klassischer Powermetal könnte man sagen, der die „Terminator“-Filme zur Grundlage hat. Lucassen’s alter Sidekick Russell Allen (Symphony X) darf dann beim dunkleren, fast schon doomigen „28 Days (Till The End Of Time)“ ran. Langsam und sphärisch nimmt sich Arjen hier dem Thema Donnie Darko an. Gleich zwei Sänger liefern sich bei „Prescient“ ein Duett. Michael Mills (Toehider) und Ross Jenkins (Haken) veredeln das im 70er Prog Stil gehaltene Stück, welches trotz aller cineastischen Merkmale wie eine Melange aus Kansas, Toto und Queen klingt.
Ein wahres Schmankerl bietet uns Star One danach mit „Back From The Past“. Beinahe fühlt man sich in beste Deep Purple/Rainbow-Zeiten versetzt, was durch Hammond-Orgel und Jeff Scott Soto am Mikro natürlich verstärkt wird. Auch ein feiner, gospelartiger Chor weiß hier zu begeistern. Das schwenkt danach mit dem Titelsong „Revel In Time“ allerdings um. Tiefer gestimmte Gitarren, harte Progmetal Riffs und ein fulminantes Solo von Adrian Vandenberg sind eher eine krasse Vertonung des Klamauk-Films „Bill und Ted“.
Der nächste Sänger aus dem Umfeld des klassischen (Deep Purple-)Hard Rocks stellt sich mit Joe Lynn Turner vor. Rockiges Riff und Orgel sorgen für zünftigen Classic HardRock-/metal bei „Year Of ‚41“, was nach starkem Gitarrensolo zum Schluß hin immer epischer zu werden scheint. Klar, wo Arjen Lucassen ist, ist auch Damian Wilson nicht weit. Der ehemalige Threshold- und nun Arena-Sänger darf auf dem Album nicht fehlen und lässt sein stimmliches Können bei „Bridge Of Life“ aufblitzen. Eingerahmt von Spieluhr-Klängen am Anfang und Ende, zaubern wuchtiger Sound und die teils tiefer gestimmten Riffs zum Ende hin tatsächlich ein wenig Threshold-Feeling auf’s Album.
Rauher wird’s bei „Today Is Yesterday“. Dafür sorgt Dan Swäno zum einen mit seiner teils geflüsterten, teils tiefrauhen Stimme, zum andern die harten Rhythmen und Drums, sowie luftig spacigen Keyboards, die ein beklemmendes Weltraumszenario suggerieren. Floor Jansen…natürlich, diese Dame fehlt auch noch. Sie kommt bei „A Hand On The Clock“ zum Zug und schmettert nach schrägen Tönen zu Beginn ihre Nightwish-gereiften Stimmbänder in Form von eingängigem, teils mehrstimmigem Gesang unter die Leute.
Spaciges Programming am Anfang und härtere Progmetal-Riffs begleiten den eigentlichen Melodic Rocker „Beyond The Edge Of It All“, passend eingesungen von Praying Mantis-Goldkehlchen John Kuijpers. Der Refrain bedeutet wohlige Harmonien, welche durch wirbelige Gitarrenläufe aufgelockert werden.
Zum Abschluß präsentiert Star One mit „Lost Children Of The Universe“ noch den längsten Track des Albums. Fast 10 Minuten mit symphonischen Keyboards, monumentalen Chören und dem unvergleichlichen Gesang von Roy Khan (Conception, ex-Kamelot) lassen jeden Fan etwas theatralischen Progmetals ausflippen . Diverse Breaks mit eingespielten Manner-u. Frauenchören im Wechsel liefern ganz großes Konzept-Kino bis hin zum ruhigen Ausklang.
Arjen Lucassen ist es wieder einmal gelungen, abseits seiner Ayreon-Alben ein weiteres, fantastisches Star One Werk zu kreieren, bei dem er natürlich von der Vielzahl an Gastsänger(inne)n und Musikern partizipiert, die das Ganze stimmungsvoll umsetzen und ihre ganze Klasse einbringen können. Wenn man bedenkt, daß auch Leute wie Steve Vai, Adrian Vandenberg oder Bumblefoot sich die Gitarrengurte umgeschnallt haben, kann man ungefähr abschätzen, welchen Status ein Arjen Lucassen mittlerweile genießt.
Als wäre das Album mit über 1 Stunde feinster Musik nicht genug, gibt es die gleichen Songs nochmals mit jeweils total anderen Sängern (unter anderem Tony Martin und Arjen Lucassen selbst) als zweites Album hintendran. Gleichwohl wie es beispielsweise eine Band wie Transatlantic praktiziert. Wir haben uns auf Album Nummer 1 konzentriert. Man kann aber beide Version gleichermaßen ans Herz legen, da die Alternativ-Sangeskünstler in keiner Weise nachstehen.
Kurzum…ein weiterer Meilenstein im Schaffen von Arjen Lucassen, dem die Ideen anscheinend nie ausgehen und der neben Ayreon eben auch mit Star One immer wieder zu begeistern weiß.
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