VÖ: 17.01.2020
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5 / 10
Gerade erst hat man den Live-Mitschnitt „verdaut“ („Live with the Plovdiv Psychotic Symphony“-2019), so kommen die Söhne Apollos früh im Jahr 2020 mit ihrem zweiten Studioalbum angerast. Und weil das so ist, hat man das Album „MMXX“ genannt, was natürlich die Jahreszahl in römischen Ziffern bedeutet. Man ist stolz, eines der ersten Alben der neuen Dekade abzuliefern. Und auch musikalisch kann diese Allstar-Truppe stolz sein auf ihr neuestes Werk.
Haftete dem Debut von 2017 („Psychotic Symphony“) noch so ein klein wenig dieser Supergroup und Projektcharakter an, ist man heute um einiges weiter, was das musikalische und songwriterische Verständnis untereinander betrifft. Auch die über 80 gemeinsam gespielten Konzerte spielen da natürlich mit ein Rolle. Über die musikalischen Qualitäten von Mike Portnoy, Derek Sherinian, Billy Sheehan, Ron „Bumblefoot“ Thal und selbstverständlich auch Sänger Jeff Scott Soto brauchen wir nicht zu diskutieren. Die sind einfach da. Diese aber in spannende Songs zu verpacken, das ist die Kunst. Und diese beherrschen Sons Of Apollo vorzüglich.
Der Opener „Goodbye Divinity“ wurde gleich mal als Video-Single ausgekoppelt. Bedeutet, daß der Song trotz aller Finesse und 7 Minuten Länge recht straight geworden ist. Klar, ein Derek Sherinian wird immer zeigen, was er kann und teilweise verrückte und überraschende Sound-Sprengsel finden wir immer in seinem Keyboardspiel. Dennoch haben wir es bei Sons Of Apollo nicht mit einer reinen Progband zu tun, die versucht, über verschachtelte Strukturen Anspruch zu verdeutlichen. Vielmehr vermischt man den progressiven Ausdruck, den man natürlich aufgrund Portnoy und Sherinian mit Dream Theater verbindet, mit klassischem Hard Rock Stil, was nicht zuletzt der Verdienst von Jeff Scott Soto und Bumblefoot ist. Quasi eine Progvariante einer Band wie Rainbow, wenn man so will. Was aber hervorragend funktioniert.
Diverse Duelle lassen sich die Musiker nicht nehmen. So findet beim zweitlängsten Song „King of Delusion“ (eine Nummer mit fast 9 Minuten Länge) zwischendrin eines zwischen Portnoy und Sherinian statt. Drums beharken sich mit Piano. Ja, Derek Sherinian betont, daß er auf „MMXX“ mehr Piano-Parts beigesteuert hat, denn je. Wer jetzt aber an viele balladeske Momente denkt, ist bei diesem Album verkehrt. Das Piano als beruhigendes Stilelement...ja, aber lediglich im Kontext des jeweiligen Songs, der immer eine Portion gesunde Härte transportiert. Die klassische Rock-Gitarre von Bumblefoot wird ab und an auf Moderne getrimmt, so daß der ein oder andere Part oder das ein oder andere Riff durchaus in den Alterna-Metal Bereich abdriftet. Sons Of Apollo sind immer am Puls der Zeit, Retro klingt hier rein gar nichts.
Auch wenn die Songs eh schon immer zwischen 5 – 9 Minuten liegen, lassen es sich Sons Of Apollo nicht nehmen zum Abschluß noch einen über 15-minütigen Longtrack auf's Album zu packen. „New World Today“ lässt hierbei ausreichend Platz, die Fertigkeiten der einzelnen Musiker aufzuzeigen. Neben einem elegisch melodischen Gitarren-Gänsehaut-Einstieg pendelt die Nummer zwischen rockigen Passagen und ausufernden Keyboardsoli, die mal schwurbelig, mal harmonisch inszeniert werden. Trotz der Länge wird der Song nie langweilig und vergeht beinahe wie im Flug. Ich gebe zu, daß ich schon spannendere Longtracks gehört habe, dennoch kann die Band auch auf dieser Länge überzeugen. Man merkt halt, daß ein Mike Portnoy und Derek Sherinian schon bei Dream Theater mit einigen langen Tracks zu tun hatten und auch in diesem Metier äußerst bewandert sind.
„MMXX“ bietet also viel musikalische Klasse, die sowohl den Prog-Fan als auch den reinrassigen Rocker überzeugen wird. Harte (Prog)Metal Stücke wie „Wither To Black“ wechseln sich mit modernen, angeschrägten Songs wie „Asphyxiation“ und Prog-Affinitäten („Desolate July“, „New World Today“) ab. Der bekannt starke Gesang von Jeff Scott Soto wird ab und an durch mehrstimmige Gesangspassagen unterstützt, die auch mal an Ayreon erinnern und dadurch zusätzlich an der Harmonieschraube drehen.
Auch wenn das Album über mehrere Monate und von jedem Musiker einzeln eingespielt wurde, was durch neueste Techniken und moderne Zeiten nichts Ungewöhnliches mehr ist, so beinhaltet „MMXX“ eine großartige Homogenität, die neben aller Komplexität und Finesse, welche die Musiker an den Tag legen, recht einfach zu konsumieren ist. Man wird nicht überfordert und hat immer das Gefühl, daß sich ein roter Faden durch das Werk zieht. Man muß wahrlich kein Prophet sein, um zu behaupten, daß Sons Of Apollo mit „MMXX“ endgültig auf dem Weg sind, sich in der Spitzengruppe anspruchsvoller Rockmusik festzusetzen. Ein frühes Highlight des Jahres 2020.
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