VÖ: 17.03.2023
Label: Gentle Art Of Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9,5 / 10
Nachdem sich Kalle Wallner und Yogi Lang in den letzten Jahren vornehmlich mit ihren Solo-Projekten ausgetobt haben, wird es mal wieder Zeit für ein neues Album ihres Hauptbetätigungsfeldes RPWL. Immerhin liegt das letzte Album „Tales From Outer Space“ nun auch schon wieder vier Jahre zurück. Wie fast schon von den Bayern gewohnt, hat man sich für das neue Werk „Crime Scene“ erneut ein durchgängiges Thema ausgesucht und im Vorfeld recherchiert. „Crime Scene“ handelt, wie man beim Titel schon vermuten kann, von mehr oder weniger bekannten Verbrechen der Vergangenheit, die in sechs atmosphärischen Songs vertont wurden.
Und RPWL zeigen sich in absoluter Bestform. Es werden Motive beispielsweise von Karl Denke, dem Kannibalen von Münterberg, oder Carl Tanzler verarbeitet. Über die akribisch recherchierten Geschichten im Einzelnen kann man sicherlich im Booklet oder direkt bei Wallner und Lang mehr erfahren. Wir konzentrieren uns auf die Musik und die ist gar nicht unbedingt so düster, wie der Leitfaden von „Crime Scenes“ vermuten lässt. Beim Opener „Victim Of Desire“ hat man es gleich mit einem kommenden Klassiker der Band zu tun, denn die Nummer gehört definitiv zum Besten, was man von RPWL je gehört hat. Kurz ein unheilvoller Beginn und dann geht’s schon los mit einer genial schwebenden Gitarrenmelodie von Kalle Wallner, die man wohl nie mehr aus den Ohren bekommt. Nach kurz verzerrtem Kanon-Gesang wird der Song dann vom erst ruhig aufsingenden Yogi mit warmen Melodien gespeist und dann in sphärische Intensität übergehend geprägt. Dazu gehört auch der Gänsehaut-Refrain, mit himmlischen Backing-Keys, sowie ein gezupfter Gitarrenpart und ein tolles Wallner-Solo im Arena-Stil. Gefährlich, ein solch brilliantes Stück Musik an den Anfang des Albums zu stellen, aber auch der Rest fällt dagegen kaum ab.
Verspielt mit Akustik-Gitarre beginnt „Red Rose“. Yogi Lang’s erst hoher, entspannter Gesang mündet in harmonische Mehrstimmigkeit und das obligatorische Gitarrensolo von Kalle zeugt von floydschem Charakter. Es sei erwähnt, daß natürlich immer wieder der Haupteinfluß Pink Floyd bei RPWL durchscheint. Dies ist aber lang nicht mehr so ausgeprägt wie früher und den eigenen Stil attestiert man der Band mittlerweile gerne. Ebenfalls mit Akustik-Gitarre startet „A Cold Spring Day in ´22“. Der Song handelt nicht aktuell vom Jahr 2022, sondern vom Jahr 1922, als in einem abgelegenen Hof bei Waidhofen eine ganze Familie ausgelöscht wurde. Dementsprechend schwebt auch eine intensive Melancholie über dem Song. Neben wuchtigen Drums (Marc Turiaux) überzeugt der luftig mehrstimmige Refrain, der dynamische Gitarrenpart zwischendrin und die etwas mystischen Klänge am Ende.
Mit Computer-Beats überrascht „Life In A Cage“ am Anfang. Die Grundstimmung ist hier mal düsterer gehalten, der dunkle Gesang strotzt vor Traurigkeit und Melancholie („….bring her back to life“…mehr Ausdruck braucht es nicht !). Im Refrain herrscht eine etwas spacige Note, ein grooviger Düster-Part mit Samples und auch das wunderschöne Gitarrensolo verstärken die Betroffenheit zudem. „King Of The World“ ist danach mit knapp 13 Minuten der Longtrack des Albums. Bass (Markus Grützner) und Drums eröffnen, leicht funkige Rhythmen folgen. Beim Keyboard Part werden Neoprog-Gefühle erzeugt und Kalle zaubert erneut fantastische Melodien aus seinen Gitarren. Alles passt wunderbar zusammen. Der wirbelige Keyboard-Part, der himmlische Refrain, die Intensität und die spannend inszenierte Atmosphäre. Ganz große Prog-Kunst.
Abschließend setzen RPWL bei „Another Life Beyond Control“ fuzzige Akzente. Etwas Psychedelic Feeling kommt auf, die „fröhlichen“ Gitarrenläufe und der warmherzige Gesang stellen sich dagegen. Gezupfte Saitenklänge, ein erneut fuzziger Part und sphärischer Gesang runden die Nummer und somit die „Crime Scene“ ab.
Das neue RPWL Album kann und darf als Meisterwerk bezeichnet werden. Alle Trademarks der Freisinger sind wie immer vorhanden, die Songs, das Konzept aber noch ausgeklügelter als zuvor, hat man den Eindruck. Und mit „Victim Of Desire“, „King Of The World“ und „A Cold Spring Day in `22“ hat man mindestens drei kommende Klassiker im Gepäck. Es macht sich stets bemerkbar, daß RPWL akribisch ihre Themen recherchieren und die Songs bis ins Detail austüfteln. Natürlich ist der Pink Floyd Ansatz durchaus an der ein oder anderen Stelle zu hören, mit „Crime Scene“ bewegt man sich aber nochmals ein Stück weg, hin zur absoluten Eigenständigkeit. Die Ermittlungsarbeiten sind abgeschlossen, übernehmen Sie nun liebe Hörer.
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