RIVERSIDE - ID.Entity

Verlieren die Menschen immer mehr an Identität ? In Zeiten aufstrebenden Populismus, Verschwörungstheorien, Demokratieverlust und immer fortschreitender Technologien ist diese Frage durchaus berechtigt. Mariusz Duda, Sänger und Bassist, hat zu aller erst die Bandkollegen über die Identitäten jedes einzelnen befragt, um dann festzustellen, daß dieses Thema vertonungswürdig ist. Herausgekommen ist dabei das achte Studioalbum von Riverside, daß den wortspielartigen Titel „ID.Entity“ trägt. Mittlerweile hat die Band den Verlust des leider 2016 verstorbenen Gitarristen Piotr Grudzinski weitestgehend verarbeitet und erstmals konnte Maciej Meller als vollwertiges Bandmitglied seine Gitarrenkünste auf einem Riverside Album beweisen. Beim Vorgängeralbum „Wasteland“ steuerte er ja bereits ein paar Soli bei.

Riverside gehen mit „ID.Entity“ also in einen neuen Abschnitt. Auch musikalisch, wie Mariusz Duda sagt. Die Melancholie der letzten Alben ist positiveren Elementen gewichen und auch der harsche Härtegrad hin zum Progmetal wurde etwas zurückgeschraubt. Mehr möchten die Polen zurückgehen in ihre Anfangszeit, wobei man aber verstärkt auf einprägsame Harmonien setzt. Der Sperrigkeitsfaktor wurde also ebenso verringert, ist aber dennoch natürlich an manchen Stellen vorhanden.

Mit „Friend Or Foe ?“ landen Riverside zu Beginn gleich einen echten Hit. Fast schon poppig, aber im positiven Sinne, wirkt der Refrain und die fantastischen Keyboardmelodien von Michal Lapaj. Dazu der bekannt hohe, erzählerisch progressive Gesang von Mariusz Duda, den man so gerne hört und schätzt. Riverside wären aber nicht Riverside, wenn sie auch solch einem Hit nicht den ein oder anderen sperrigen Schlenker einverleiben und damit den Song auf über acht Minuten ziehen würden. Auf jeden Fall geht einem dieser Track sofort in die Ohren und bleibt dort haften.

„Landmine Blast“ ist nach ruhigem Beginn rockiger, psychedelischer. Einen leichten oriental touch mag man dem Gitarrenspiel von Maciej entnehmen. Auch das (Hammond)Orgel-Spiel lässt ein wenig 70er Flair mit einfließen. Mit überraschendem Bläsereinsatz kommt danach „Big Tech Brother“ rüber. Viel Technik wurde hier auch in Form von „kratzigen“ Synthies und mancher Programming-Zeile integriert. Auch dieser Song brilliert wieder mit einem sehr starken Refrain und dem Einfallsreichtum der Polen, die sich bei diesem Album zum Schreiben der Songs im Rehearsal Room und nicht wie zuvor im Studio getroffen haben.

Nach dem charmant sperrigen „Post-Truth“ lassen Riverside danach mit „The Place Where I Belong“ das 13-minütige Herzstück des Albums folgen. Trotz aller Abwechslung und vieler Dynamik-Wechsel von Pianoruhe bis zu progmetallischen Gitarrenriffs ist der Song meiner Meinung nach aber um ein paar Minuten zu lang. Nachhaltig prägt sich einem die Nummer, auch wenn man sie nun schon mehrfach gehört hat, nicht unbedingt ein. Trotzdem natürlich beste Riverside-Unterhaltung.

Das etwas verträumte „I’m Done With You“ und der orgelgetriebene Abschlußtrack „Self-Aware“, der mit knapp neun Minuten noch einmal große Progressive Rock-Kunst beweist, beenden dann ein Album, daß in 53 Minuten gar nicht alles erzählen kann, was Mariusz Duda in Identitätsfragen auf dem Herzen liegt.

Das neue Album geht sicherlich ein wenig zurück an die früheren Tage der Band, lässt aber trotz des angespannten Themas viel positive Vibes zu. Der Opener hat absolut das Potential zum größten Hit der Band zu avancieren und auch die anderen Stücke sind spannende, abwechslungsreiche und traumhaft gespielte Progrock Kunstwerke. Sehr starkes Album der Polen wieder.