VÖ: 27.09.2019
Label: Nuclear Blast
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Mikael Akerfeldt uns seine Kollegen von Opeth spalten schon seit langer Zeit die Fan-Gemeinde. Von den Anfangszeiten des Death Metal über die Hochphase der Band, als progressive Elemente sich mit Growls und anderen Death Metal Zitaten paarten („Blackwater Park“, „Deliverance“) haben sich die Schweden immer mehr weg vom reinen Metal hin zum Prog entwickelt. Nun scheinen auch die zwiespältig aufgenommenen experimentiellen Zeiten mit Alben wie „Heritage“ und „Sorceress“ der Vergangenheit anzugehören. Denn mit dem mittlerweile 13. Album „In Cauda Venenum“ legen Opeth endgültig den Grundstein für hochinteressanten, genial gespielten Prog (metal). Als kleine Randnotiz sei erwähnt, daß es dieses neue Album in einer englischen und einer schwedischen Fassung gibt.
Dabei vermengen sie nach wie vor auch Soundelemente aus der Vergangenheit mit neuen Entwicklungen, klingen aber gereifter, vielleicht auch etwas songorientierter als zuvor. Was auch auf den letzten Alben auffiel, ist die doch starke, emotional bedeutende aber dennoch kräftige Stimme von Mikael, der mittlerweile völlig ohne Growls auskommt. Daß „In Cauda Venenum“ mysteriöser und geschichtsträchtiger ausfallen würde, bekommt man neben dem düsteren 18. Jahrhundert-Cover bereits beim rein instrumentalen Opener „Garden Of Earthly Delights“ zu spüren. Sakrale Klänge und bebende Synthie-Wellen führen hin bis zum Glockengeläut des Big Ben.
Das mit einem Spoken Words Part von Olof Palme versehene „Dignity“ offenbart dann gleich den Facettenreichtum des Opeth-Sounds anno 2019. Ein Orgel/Gitarrenintermezzo mutiert in ein tolles Gitarrensolo hochmelodischer Art, die Klavierparts sind der Albumausrichtung gerecht werdend meist in Moll-Töne gehalten und natürlich darf ein Break zwischendrin nicht fehlen, daß mit flüsterenden Vocals und verträumt-verspielten Klängen die Emotionen runterfährt. Rasch wird’s wieder intensiver mit dem angesprochen genialen Klargesang von Akerfeldt, schönen Melodien und einem etwas verklärten Ende. Bereits in diesem Song offenbaren Opeth mehr Songwriting-Finesse als andere Bands in ihrer kompletten Diskographie.
Nein, einfach sind Opeth Songs so gut wie nie. Auch „Heart In Hand“ nicht, was flott beginnt und etwas hakelige Gitarren offenbart. Der Gesang von Akerfeldt wirkt hektischer, dennoch klar und das von ihm zelebrierte Gitarrenthema sperrig. Wirre Sound Samples unterstreichen den leichten Unzugänglichkeits-Faktor, bevor ein Break mit Akustik Gitarre und entspanntem Gesang versöhnt. Ah-Ah-Ah-Chöre, die mitunter auch mal an die Beatles erinnern, steuern „Next Of Kin“ über harte Gitarrenanschläge in düstere Bahnen. Der Track wechselt munter von ruhig zu intensiv, teilweise recht hoher Gesang steht im Gegenpart zu disharmonischen Tönen. Ebenfalls eine Nummer, die dem Hörer Aufmerksamkeit abfordert.
„Lovelorn Crime“ wächst danach vom Beginn mit Piano/Gesang und balladesken Gänsehautmomenten durch mehrtimmigen Beatles-ähnlichen Gesang und symphonische Klänge immens an und gipfelt letzendlich in einem elegischen Gitarrensolo. Prog vom Feinsten !! In Folge ändern Akerfeldt und Mannschaft die Ausrichtung des Albums nicht mehr. Die Songs bleiben allesamt spannend arrangiert, lediglich das mit jazzigen Blasinstrumenten angereicherte „The Garroter“ plätschert zwischendurch etwas dahin. Auch legt sich die eingangs festzuhaltende Euphorie im Laufe des Albums etwas, kein Wunder, wenn man mit bärenstarken Nummern beginnt, die einen leichten Spannungsabfall nach sich ziehen MÜSSEN.
Dennoch gibt es auch bei Songs wie „Continuum“, dem düsteren mit fremdländischen Klängen verzierten „All Things Will Pass“ oder dem mit Kinderstimmen versehen, etwas wavig anmutenden „Charlatan“ viel zu entdecken. Die Vielschichtigkeit von Opeth zieht sich quer durch's Album und auch wenn sich Eingängigkeit mit sperrigeren Parts abwechseln, die Kompositionen bleiben jederzeit nachvollziehbar und sind musikalisch von überragender Qualität.
Es mag jeder selbst entscheiden, ob Opeth mit „In Cauda Venenum“ ihr Masterpiece gelungen ist. Zumindest nah dran scheint man zu sein, die Zeit wird den Wert des Werks verdeutlichen. Die ganz frühen Fans werden nicht mehr zurückkommen, dafür darf sich die gesamte Prog-Hörerschaft auf dieses Album freuen und man lernt mit jedem neuen Durchlauf weitere Details kennen. Starker Beweis der Relevanz der Schweden in der heutigen Progszene.
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