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CD2:
VÖ: 27.08.2021
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8/ 10
Die Lichtgestalt des US amerikanischen Progrocks, Neal Morse, ist seit geraumer Zeit omnipräsent durch regelmäßige Veröffentlichungen, bei denen er mitwirkt. Noch in aller Munde beispielsweise der letzte Doppeldecker von Transatlantic und auch sein Solo-Album „Sola Gratia“ unter seinem Namen veröffentlicht, ist noch kein Jahr alt. Aber so ist es halt, wenn kreative Musiker auf der Live-Ebene ausgebremst werden. Dann bleibt eben viel Zeit, die Ideen, welche einem im Kopf herumschwirren musikalisch aufzunehmen und unter die Leute zu bringen.
Jetzt ist mal wieder die Neal Morse Band an der Reihe. Deren letztes Studioalbum ist allerdings schon von 2015 („The Grand Experiment“), so daß ein Nachfolger endlich Zeit wird. Um den Namen Neal Morse nicht überzustrapazieren, nennt sich die Band ab sofort einfach nur NMB. Wiederum mit Vielzeit-Drummer Mike Portnoy, Basser Randy George, Bill Hubauer (Keys) und Gitarrist Eric Gillette bringt Neal nun ebenfalls ein Doppelalbum mit dem Titel „Innocence & Danger“ heraus. Über 90 Minuten Musik verteilt auf zwei Scheiben. Wahnsinn !
War das Solo-Album von Neal Morse eher ruhig und entspannt gestaltet, fühlt sich der Fan von abwechslungsreichen, eruptiven und auch mal zerfahrenen Klängen sofort wieder wohl bei NMB. Die Musik erinnert mehr als einmal an die Spocks Beard-Vergangenheit des Sängers und natürlich drückt seine begnadete Stimme jedem Song den eigenen Stempel auf. „Do It All Again“ erinnert zu Beginn ein wenig an Rush und liefert gleich mal eine schöne Gitarrenmelodie ab. Sphärische Piano-Klänge, toller Sologesang, sowie der mehrstimmige Refrain mit Orgelbegleitung verheißen durchaus so etwas wie Spocks Beard-Genialität. Doch auch eine flotte Prise Neo-Prog spielt mit hinein, wenn eine Passage im Fahrwasser von Bands wie IQ angestimmt wird.
Etwas rockiger ausgerichtet ist „Bird On A Wire“. Frickelige Gitarren und schnelle Rhythmen, die mitunter sehr keyboardlastig aufkommen, sind am Start und der Wechsel von atmosphärischen Momenten und rockigen Ausflügen macht den Song spannend. Ein feines Keyboardsolo schippert erneut stark am Neo-Prog. Spocks Beard hatten ja schon immer Passagen, die ein wenig an die Beatles erinnert haben. So auch bei NMB. Beispielsweise das mit flottem Piano beginnende „Your Place In The Sun“, welches ein großartiges Orgel – Gitarrenduett vorzuweisen hat und nach Keyboardsolo sehr ruhig endet.
Ein wenig an Saga könnte sich mancher erinnert fühlen, wenn er die Gitarren und den guten Refrain mit Backing Chören von „Another Story To Tell“ hört. Ein weiteres, sehr atmosphärisches Stück ohne großartige Schnörkel. Es folgen eine ruhige Nummer mit Balladencharakter („The Way It Had To Be“), ebenfalls mit einigen Beatles-Ähnlichkeiten, das rein instrumentale Akustik-Gitarren Intermezzo „Emergence“ welches zu „Not Afraid Pt. 1“ überleitet. Hier wiederum setzen hauptsächlich mehrstimmige Gesänge die Akzente, was dem Song zusätzlich Styx oder Supertramp-Charakter verleiht.
Zum Abschluß von Scheibe 1 wagen sich NMB dann noch an eine Coverversion des Simon & Garfunkel Klassikers „Bridge Over Troubled Water“. Eine durchaus gelungene Version, die auch mal so etwas wie Gospel-Chöre bringt, dennoch verursacht diese Verarbeitung zu keiner Zeit die Gänsehaut des Originals, wo Art Garfunkel den Song mit seiner unnachahmlichen Stimme interpretiert.
Scheibe 2 besteht dann lediglich aus zwei Songs. Der erste, „Not Afraid Pt. 2“ besitzt bereits eine stattliche Länge von über 19 Minuten. Der zweite, „Beyond The Years“, schießt aber mit über 31 Minuten den Vogel ab. Klar, daß hier hauptsächlich Freunde von ausufernden Instrumentalpassagen und technischem Können angesprochen sind. Es macht auch keinen Sinn, auf die einzelnen Phasen der jeweiligen Songs einzugehen. Es wird mal frickelig, dann wieder hochmelodisch. Von 70er Jahre Ausbrücken bei „Not Afraid Pt. 2“ bis hin zu einem epochalen Ende mit elegischen Gitarren („Beyond The Years“) ist der gespannte musikalische Bogen immens hoch und lässt durch eine Vielzahl an Breaks keine große Langeweile aufkommen. Auch wenn manche Instrumentalpassagen nicht enden wollen, die Songs laufen dennoch ganz gut ins Ohr und überfordern den Hörer nicht. Dies hängt natürlich an der tollen Atmosphäre, am immer wieder eingepflegten Wahnsinns-Gesang von Neal Morse, sowie den grandiosen Melodien, welche den einzelnen Musikern entfleuchen. Vielleicht sind diese Mammut-Tracks zu lang, um sie immer wieder zu hören, aber den Fans wird’s egal sein. Sie bekommen viel Musik für ihr Geld.
Nein, die Neal Morse Band macht nicht viel anders als zuvor. Es herrscht nach wie vor technisch hervorragender US Prog, der immer wieder die Spocks Beard Vergangenheit des Sängers zeigt. Idealerweise hat man die zwei Songs mit Monsterlänge auf eine separate Disc gebannt, so daß der Hörer immer entscheiden kann, ob er nun 45 Minuten recht eingängigen Prog oder 50 Minuten instrumental-intensive Songs genießen will. Einzeln funktioniert’s, zusammen auch, somit kann man „Innocence & Danger“ jedem Neal Morse und Spocks Beard Fan absolut ans Herz legen.
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