VÖ: 28.02.2019
Label: Mostly Autumn Records
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Mostly Autumn aus dem englischen York sind schon immer bekannt für amtmosphärischen, hoch emotionalen, leicht folkigen Progrock. Aber das neue Album „White Rainbow“ sticht ihre bisherigen Alben, und davon gibt es nicht gerade wenige, nahezu aus. Knapp 80 Minuten voller Emotionen, freigelassener Energie und viel viel Gänsehaut bringt die Band um Mastermind und Gitarrist Bryan Josh dem Zuhörer näher und schafft ein Meisterwerk des progressiven Musiksektors.
Das Album bezeichnet die Band als Widmung an den 2017 verstorbenen, ehemaligen Gitarristen Liam Davison und man muß sich der ein oder anderen Träne, die man bei oftmals berührenden Momenten verdrückt, gerade durch den faszinierenden Gesang von Olivia Sparnenn erzeugt, nicht schämen.
Angefangen mit den mit Dudelsäcken wunderbar startenden Klängen von „Procession“ setzt sich mit „Viking Funeral“ ein Album fort, daß man so schnell nicht vergisst. Mystische Klänge und Synthies stehen in Einklang mit verträumten Pipes und recht harten Gitarren, die immer wieder an selige Pink Floyd Zeiten erinnern. Der männliche Gesangspart, wie immer ebenfalls von Bryan Josh geliefert, wirkt in manchen Momenten verzerrt, findet sich aber im bekannten, mehrstimmingen Mostly Autumn-Gesang wieder. Olivia setzt das erste Mal nach ca. 5 Minuten engelsgleich im Background ein. Fast kann man es erahnen, ertönt auch schon ein für Bryan typisch elegisches Gitarrensolo. Eines, wie man es auf dem Album beinahe in jedem Song wiederfindet.
Wasser plätschert ruhig dahin zu Beginn von „Burn“. Der erste Song mit Olivia's Leadgesang und die ersten Gänsehautmomente. Verträumte Klänge mit viel Atmosphäre laden zum Entspannen, Nachdenken ein und lassen dich berührt zurück. Ebenfalls sehr ruhig mit Akustik Gitarre und balladesk startet „Run For The Sun“. Der Song baut sich aber mit der Zeit immer mehr auf, geht drumtechnisch in Marschrhythmen über bis hin zum hochmelodischen Gitarrensolo. Ruhig klingt die Nummer wieder aus.
Ein Song, der wahrlich zu Tränen rührt ist „Western Skies“. Ein weiblicher Gesang wie von einer anderen Welt, den man als faszinierend bezeichnen MUSS. Piano, Flöte, Zärtlichkeiten wie von einer Fee gestreichelt. Hier lässt eine großartige Band ihren Gefühlen freien Lauf. Nach der Hälfte wird’s allerdings rockiger und flotter. Von einer reinrassigen Ballade ist also nicht zu sprechen.
Rockig geht’s auch weiter mit „Into The Stars“, einer Nummer, die man im Kontext des gesamten Album als die straighteste benennen kann.
„Up“ lässt gesanglich Bryan den Vortritt, auch wenn er hier eher flüsternd und mit Dark Rock Vibes auftritt. Im Refrain wird der Gesang ungleich melodischer, bietet reichlich Tasten, in der Hauptsache Orgel und gipfelt in einem tollen Gitarrensolo. Ganz ruhig lässt es „The Undertow“ angehen. Olivia nimmt uns mit auf eine mit Akustik Gitarre unterstützte zärtliche Reise, die aber von Orgel und Gitarre dynamischer wird und mit sehr viel Groove auftrumpft. Stampfende Rhythmen, härteres Solo...fantastisch. Das kurze „Gone“ lässt uns dann mit ruhiger Akustik-Gitarre / Gesang rasch Luft holen, bevor Mostly Autumn mit dem knapp 20-minütigen „White Rainbow“ zum allumfassenden Prog-Rundumschlag ausholen.
Pink Floyd Themen, elegische Gitarren, ruhige Parts, dagegenstehende Moll-Töne inklusive Gewitter und harten Gitarren...dieses wahre Monstrum besitzt alles, was einen Longtrack ausmacht. Sehr intensiv wechseln sich Männlein und Weiblein im Gesang ab, als Duett erlebt man die beiden unterstützt durch Akustik-Gitarre ebenso. Das ausufernde Gitarrensolo hat seine genialen Momente und rundet ein Kunstwerk ab, das man jedem prog-affinen Hörer ans Herz legen darf.
Nur rechtens, daß der Abschlußsong „Young“ dann mit Piano und Flüstergesang, ruhigem Duett aber auch kurzer härterer Passage den Hörer wieder ins Diesseits holt.
„White Rainbow“ ist ein Prog Album der Extraklasse und meiner Meinung nach das Beste, was man bisher von Mostly Autumn gehört hat. Ein Album voller faszinierender Momente, voller Emotionen, voller Kunst. Es fällt einem schwer, nach Ende des Durchlaufs seine Gefühle wieder zu ordnen und das Gehörte zu verarbeiten. Ein wunderbares Zeugnis einer hervorragenden und verdienten Band.
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Udo Eckardt (EMPIRE) (Dienstag, 26 März 2019 16:44)
Tolle Rezi eines grandiosen Albums, dem wirklich besten in der bisherigen Karriere der "mostly underrated Band of the World". Kaum einer nimmt Notiz von diesem herrlichen Meisterwerk und meine Rezi auf Amazon wird wahrscheinlich auch von niemandem für voll genommen, wie dem gesamten Schaffen der Band leider noch nie der Stellenwert eingeräumt wurde, den es verdient.
Um so mehr freut es mich, hier ein paar Worte zu lesen, von jemandem, der meine Gefühle ebenfalls teilt. In einer gerechten Welt müsste diese Album wochenlang auf vorderen Rankings zu finden sein und Bryan Olivia und Co müssten ganze Stadien füllen, wie ihre seeligen Vorbilder noch heute, die schon seit 30 Jahren nicht mehr ansatzweise neue Songs in solchem Kaliber abgeliefert haben.
Lies mal hier:
https://www.amazon.de/White-Rainbow-Mostly-Autumn/product-reviews/B07N31HV62/ref=cm_cr_dp_d_show_all_btm?ie=UTF8&reviewerType=all_reviews
Moonmadness (Samstag, 07 September 2019 07:48)
Ich kann mich den Worten von Udo zu 100 % anschließen. Schön früh hat es "klick" gemacht, als ich eine CD von MA in die Hände bekam. Damals wurde zuvor Monate lang "gesammelt" unter den Fans und dann erhielt man gaz exklusiv die neue CD zugesandt. An den netten Kontakt erinnere ich mich gut. Suchte damals immer nach Konzerten in Deutschland und machte mir leider erst die Mühe im Dezember 2004 in die "Boerderij" nach Holland zu fahren. Danach war ich völlig geflasht! Die habe ein fast 4-stündiges Meisterwerk abgeliefert und als Krönung ein Weihnachtslied von Slade gespielt. Eines meiner schönsten Konzerterlebnisse überhaupt. Die Band - das muss man vielleicht bedenken - wäre vielleicht nicht mehr das, was sie ist, wenn sie Stadien füllen würden. Gönnen würde ich es ihnen. Der Tod von Liam Davison kam leider auch viel zu früh. Da war er ja schon nicht mehr bei MA, aber sein Solo-Werk sollte ebenfalls gewürdigt werden. Ein großartiger Gitarrist! Eine großartige Band!
Jan (Montag, 09 Dezember 2019 12:16)
Ich habe diese leider unterbewertete Band letztens erst kennengelernt. Blue Rainbow rotiert dauernd. In Weert hab ich sie erstmals live gesehen. Und als Gipfel letzte Woche das fast dreistündige Konzert in Verviers mit so vielen Emotionen, wie ich sie eigentlich noch nie bei Konzerten erlebt hab.