VÖ: 02.11.2018
Label: Karisma Records
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Aus Norwegen schwappt nun erstmals ein Ljungblut Album rüber. Die Band des norwegischen Bassisten Kim Ljung wurde allerdings schon 2005 als Projekt gegründet, um Songs zu verwirklichen, die bei seinen Hauptbands (Zeromancer, Seigmen) keine Verwendung finden würde.
Bisher wurden fünf Alben veröffentlicht, davon die ersten drei in englischer Sprache und die beiden anderen in der Heimatsprache Norwegisch. Das neue, nun sechste Album „Villa Carlotta 5959“ schließt jetzt die Trilogie der Alben in norwegischer Sprache ab.
Ljunglut spielen sehr ruhigen, melancholischen Artrock, wie ihn zur grauen herbstlichen Zeit eben nur nordische Bands spielen können. Jeder der 10 Song spült einem eine wohlige Gänsehaut über den Rücken und man genießt dieses Album am besten vor dem heimischen Kaminofen (der natürlich brennt) oder am Fuße der Fjords sitzend und das Leben auf sich niederprasseln lassend.
Vorraussetzung ist natürlich, daß man die norwegische Sprache in den Songs akzeptiert, denn diese klingt doch etwas fremdländisch in den Ohren, obwohl sich dies dann ganz rasch gibt.
Kim Ljung verarbeitet lyrisch historisch gewandelte Themen wie zum Beispiel bei dem Opener „Hasselblad“, der sich...jawoll... um norwegische Fotokameras dreht, und zwar um diese 12 Stück, die man auf der Mondoberfläche zurückgelassen hatte. Oder bei „Superga“, das von der Anhöhe über Turin handelt, bekannt geworden durch seine Basilika und dem Absturz der Mannschaft des AC Turin im Jahre 1949. Aber auch seine chronische Migräne verarbeitet Ljung. Nachzuhören in den Songs „Min Krig“ und „Aldri helt stille“.
Wie gesagt das Album ist recht melancholischer Art, aber mit wunderschönen Melodien versehen, hauptsächlich gespielt von Gitarrist Dan Heide (ex-Zeromancer), der das Saiteninstrument mal elegisch, mal mit leichten Effekten überzogen erklingen lässt. Immer hochmelodisch und ergreifend. Auch der Gesang von Kim Ljung ist äußerst angenehm und wird durch mehrstimmigen Einsatz, mal mit weiblicher, mal mit männlicher Unterstützung noch wärmer.
Bei Opener „Hasselblad“ klingt das Ganze noch recht elektronisch mit viel Synthies und verzerrter Gitarre, die Atmosphäre ist betörend düster und der Song an sich noch am kraftvollsten auf „Villa Carlotta 5959“. In Folge wird das Album dann immer ruhiger, einfühlsamer und melancholischer mit traumhafen Klangwelten, die wie bereits erwähnt ergreifende Gefühle erzeugen. Allen voran die Stücke „Oktober“, „Til Warszawa“, „Superga“ und „Diamant“. Überragend ist on top dann der Song „235“, der nochmals eine Spur fantastischer rüberkommt.
Aber auch der Rest fällt nur unwesentlich ab und hält die Gefühlslage beim Hörer hoch. Immer neue Schönheiten in der Musik von Ljungblut erklingen, so daß das Album trotz aller Ruhe nie langeweilig wird. Das könnte auch daran liegen, daß die Basis des Albums live im Studio eingespielt wurde und der Mix von Alex Moglebust , sowie Terje Johannesen vorzüglich klingt.
Ljungblut sind für mich eine echte Überraschung. Kein Wunder, daß die Band an mir bisher vorbei ging, denn „Villa Carlotta 5959“ ist das erste, welches außerhalb Norwegens veröffentlicht wird. Für die Jahreszeit ist diese Musik ideal, man sollte nur nicht in zu depressiver Stimmung sein, sonst könnt's gefährlich werden. Eine echte Empfehlung für Leute, die sich gerne von Musik berühren lassen und auch mit z. B. neueren Anathema klar kommen.
Ein echtes Highlight für die trüben Herbst-u. Wintertage.
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