VÖ: 01.07.2016
Label: Pure Legend Records
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Wir Deutschen können uns glücklich schätzen, daß wir mit dermaßen guten ProgMetal Bands gesegnet sind. Allerdings fahren diese Bands aus welchen Gründen auch immer
nicht den Erfolg ein, den sie zweifellos verdienen. Sei es Vanden Plas, Poverty's No Crime (auch mit tollem neuen Album in 2016) oder Lanfear, die Reihe könnte man gar noch weiterführen. Letzere,
nämlich Lanfear ziehen jetzt Mitte des Jahres mit einer neuen Scheibe nach. Auf das geniale „This Harmonic Consonance“ von 2012 folgt nun „The Code Inherited“, ein weiteres ambitioniertes Werk
der Herren um Markus „Ulle“ Ullrich. Dieser hat vor kurzer Zeit mit der eher thrashigen Kapelle Septagon und der Mercyful Fate-Huldigung Them aus sich aufmerksam gemacht.
Mit Lanfear kehrt er allerdings zurück in die Melodic-/Progmetal Schiene und tut dies mit unverminderter Genialität. Denn Lanfear erkennt man sofort am Gitarrenspiel, ein Verdienst den man Ulle nicht hoch genug anrechnen kann. Seit geraumer Zeit darf man als Trademark der Band aber auch den außergewöhnlich guten Gesang von Nuno Miguel de Barros Fernandes hinzuzählen, der in manchen Momenten durchaus Fates Warning's Ray Alder ähnelt. Klasse Stimme der Knabe, dem die Songs wie auf den Leib geschneidert scheinen. Da Nuno zudem mittlerweile auch als Songwriter in Erscheinung tritt, darf man ihm auch zum atmosphärischen Beitrag des Albums gratulieren.
Ähnlich wie der Opener des letzten Albums präsentieren Lanfear mit „The Delusionist“ einen instrumentalen Beginn mit Orgelklängen, diesmal etwas düsterer Natur, bevor man mit einem harten Riff richtig einsteigt. Nuno serviert die Lyrics recht aggressiv bis hin zum göttlichen Refrain, der so dermaßen ins Ohr geht, daß man hier schon geneigt ist, Höchtwerte zu vergeben. Ein recht speediger Song zum Auftakt, der zudem ein hartes, frickeliges Gitarrensolo beinhaltet. Welch eine Eröffnung.
Ebenso eingängig wie melodisch folgt „The Opaque Hourglass“, das schnell beginnt und mit wundervollen Harmonien gepaart mit speedigen Läufen glänzt. Die Nummer verbreitet irgendwie eine positive Grundstimmung. Härter geht’s zu bei „Evidence Based Ignorance“, bei dem auf ein fettes Metal Riff ein Spoken Words Part und der typisch melodische Refrain folgt. Der Song wird im Verlauf immer zurückhaltender, versprüht mit klassichem Piano meets Zupfgitarre und dem Gitarrensolo sogar ein ganz leichtes Savatage Feeling. Trotz allem ein recht metallisches Stück.
Das Titelstück „The Code Inherited“ behandelt thematisch die Entschlüsselung des DNA Codes und ihre weitreichenden (negativen) Folgen. Nach leicht fernöstlichen Klängen zu Beginn ertönt eine für mich etwas unheimliche Computerstimme, die wohl den Code gerade entschlüsselt. Der Song baut sofort Spannung auf und steigert sich in teils verklärte musikalische Sphären bis ein hartes Riff übernimmt und der zwingende Gesang von Nuno, mit viel Hall versehen, erklingt. Der diesmal mehrstimmige Refrain ist erneut großartig und die Stimme des Professors, die ertönt, sowie Textfragmente wie „the misery of science“ schaffen tüchtig Atmosphäre. Wie bei einem Song mit über 10 Minuten Länge zu erwarten, muß ein Break her mit kurzen Riffs und geisterhaften Vocals, ergänzt durch abwartende Keyboards, sowie verzerrte Screams. Die Vorbereitung auf das Finale. Dieses erfolgt durch ein hartes Solo, mutiert in Chaos....der Refrain, die Computerstimme und die fernöstlichen Klänge schließen quasi den Kreis. Eines der besten Stücke, die Lanfear in neuerer Zeit aufgenommen haben. Bravo !!
Da kann man bei „Self-Assembled“ dann erst einmal durchatmen. Der Anfang klingt irgendwie nach Spielautomaten-Keyboards mit Gitarren. Der Gesang gerät hier recht balladesk und im Verlauf wechseln sich rockige Passagen mit melodischen Vocals ab.
Was nun folgt sind zwei Songs, die als zukünftige Klassiker in die Lanfear-Geschichte eingehen müssen. Es beginnt mit „Converging Saints“ und kribbeligem Gitarreneinstieg samt Keyboards der Oberklasse. Nuno klingt etwas nach James LaBrie und auch der Song besitzt so seinen ein oder anderen Dream Theater Moment, ohne jedoch abzukupfern. Der Weltklasse Refrain gehört zum Besten, was man im ProgMetal Bereich je gehört hat. Getoppt wird diese geniale Nummer noch vom folgenden „Remain Undone“. Abwartende Gitarreneröffnung, mysisch flüsternder Gesang. Atmosphäre wird groß geschrieben. Der Refrain im Fates Warning Stil ist noch einen Tacken „weltklassiger“ als beim vorherigen Song und alles läuft auf eine meterdicke Gänsehaut hinaus, welche spätestens nach spacigem Synthie Part zum Ende hin mit Nuno's Götterstimme folgt.
Als Bonus haben sich Lanfear dann noch einen kleinen Spaß erlaubt und bringen mit „Summer of 89“ eine luftige Sommernummer in Anlehnung an Bryan Adams' „Summer of 69“ aber mit ganz anderen Ansätzen. Zunächst beginnt man mit Guns'n Roses Gitarrenintro und Happy Keyboards, die sofort Sommerfeeling verbreiten. Auch hier besticht Nuno mit tollem Gesang und der Refrain ist in bester AOR Manier gehalten. Klar, passt diese Nummer nicht zum Rest des Albums, ist ja auch nur ein Bonustrack. Aber für sich stehend eine wirklich tolles Ding zur stimmigen Abwechslung.
Lanfear haben im Vergleich zum letzen Album nochmals qualitativ zugelegt und ein außergewöhnlich starkes Brett aufgefahren, daß zum Besten gehört, was man in dem Bereich bislang zumindest von deutschen Bands vorgesetzt bekommen hat. Aber auch international sticht „The Code Inherited“ weit hervor und sollte eigentlich der „Konkurrenz“, die in diesem Jahr ebenfalls punktet (Fates Warning) oder zwiespältige Eindrücke hinterlassen hat (Dream Theater) zumindest ebenbürtig gegenübertreten können.
Bleibt also nach wie vor nur die Frage, wann Lanfear endlich den schon seit langem verdienten Durchbruch schaffen. Musikalisch geht’s eigentlich nicht mehr besser.
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