VÖ: 06.03.2024
Label: Columbia Records / Epic
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Das neunzehnte Studioalbum von Judas Priest, „Invincible Shield“ ist schon seit geraumer Zeit in aller Munde und auch die ersten Rezensionen überschlagen sich vor Huldigungen. Ok, das war beim letzten Dreher „Firepower“ von 2018 ähnlich, nur sind nun halt auch schon wieder fünf Jahre ins Land gezogen. Fünf Jahre, in denen es eine Pandemie gab und in derer sich Gitarrist Glenn Tipton gesundheitlich immer weiter, zumindest aus dem Live-Geschehen, zurückzog. Im Studio ist Glenn aber nach wie vor unverzichtbare Größe und zwei Songs stammen sogar aus seiner Feder.
Das von Mark Wilkinson farbenfroh gestaltete Artwork ist gleich ein echter Hingucker und auch der Opener „Panic Attack“ lässt Gutes vermuten. Nun, dieser Song wurde ja als Appetizer bereits 2023 präsentiert und führt mit seinen „Turbo“-Vibes zu Beginn ein wenig auf die falsche Fährte. Der Song ist ein typischer Judas Priest Renner mit guten Twin-Gitarrenleads von Tipton und natürlich auch Richie Faulkner, der immer mehr den ausgestiegenen KK Downing vergessen lässt. Hervorragend druckvoll erneut die Produktion von Andy Sneap und auch Rob Halford zeigt sich immer noch gut bei Stimme. Auch die hohe Stimmlage kommt zwar etwas kratziger wie früher, aber immer noch gut. Live wird sich zeigen, ob der gut Rob das ebenfalls so noch hinkriegt.
Musikalisch ist „Invincible Shield“ selbstredend oberstes Regal und man merkt in jeder Phase, das die Begriffe Judas Priest und Heavy Metal einfach zusammengehören. Dennoch setzt bei mir ein klein wenig Ernüchterung ein, wenn ich die Refrains auf dem neuen Album höre. So bleiben flotte Smasher wie „The Serpent And The King“, „Trial By Fire“, der Heavy Stampfer „Devil In Disguise“ oder das mit feiner Gitarrenmelodie startende „Gates Of Hell“ vom Refrain her nicht unbedingt nachhaltig hängen. Hier liegt wohl der größte Unterschied zu Großtaten wie den „Screaming For Vengeance“-und „Defenders Of The Faith“-Alben, die man gerade im Gitarrenbereich auf dem neuen Werk immer wieder zitiert.
Meine persönlichen Highlights stellen eher die unerwarteten Dinge auf „Invincible Shield“ dar, die Richie Faulkner im Vorfeld so in etwa als progressiv darstellte, ohne aber in „Nostradamus“-Schwulst abzudriften. Der langsame Groover „Escape From Reality“ beispielsweise, der sogar etwas doomig daherkommt und verzerrte, psychedelische Vocals integriert. Oder der letzte reguläre Track des Albums „Giant Sky“, ein grooviger Rocker, schleppend wuchtig und mit ruhigem Akustik-Gitarrenpart gesegnet. Ebenso weiß die epische Bridge im Titelsong zu begeistern.
Natürlich freut man sich als Priest-Fan auf die bekannten Gitarrenduelle wie bei „As God Is My Witness“ und „Trial By Fire“ und die straighten Uptempo-Nummern stecken nach wie vor die meisten Metalbands in die Tasche. Dennoch zündet eben nicht alles sofort bei mir, wie zum Beispiel der Melodic-Metaller „Crown Of Horns“ mit seinem Mitsing-Refrain. Drei Bonus-Songs reihen sich auch noch ein, wobei „Fight Of Your Life“ etwas sleazige Spuren aufweist, „Vicious Circle“ reichlich Accept-Riff-Luft atmet und „The Lodger“ mit seinen schwebenden Gitarren, dem mehrstimmigen Refrain und leicht entrückten Klängen ein echtes Highlight darstellt.
Also, „Invincible Shield“ ist ein gutes Album mit viel Priest-Trademarks der Vergangenheit, mit einem gut bei Stimme performenden Rob Halford, der bewährten Rhythmus-Maschine Scott Travis und Ian Hill und einer Hand voll Songs die durchaus auch das Potential haben, sich zu künftigen Klassikern der Spätphase zu entwickeln. Für mich war „Firepower“ kompakter, vielleicht sogar dynamischer. Dennoch werden die Vorschußlorbeeren der vergangenen Monate dem neuen Album schon gerecht, zumindest teilweise. Dem überbordenden Hype aktuell aber sicherlich nur bedingt.