VÖ: 01.05.2019
Label: Unicorn Digital
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5 / 10
Es mag ja vielleicht zu subjektiv klingen, aber das ist genau die Art von Progressive Rock, die ich am liebsten mag. Atmosphärisch, melodisch im Stile des SI Labels der 90er Jahre oder den verschiedenen Angular Records Veröffentlichungen. Ach ja, die Rede ist von der kanadischen Band Huis, die mit „Abandoned“ soeben ihre drittes Album veröffentlicht hat.
Huis haben wohl einen Hang zu den Niederlanden, denn der Bandname bedeutet soviel wie „Haus“ auf Niederländisch. Auch der Sound spiegelt etwas den einiger holländischer Progbands wieder. For Absent Friends fallen mir hier als erstes ein. „Abandoned“ stellt laut eigener Aussage die Fortsetzung der beiden vorangegangenen Alben dar und mit dem letzten Song „Oude Kerk III“ hat man gar eine Song-Fortsetzung im Gepäck.
Alles fängt mit dem Titeltrack zuerst ruhig an, etwaige Soundsamples ertönen, bis die tolle Stimme von Sylvain Descoteaux einsteigt. Irgendwie fühlt man sich erst an den New Romantic Sytle der 80er Jahre erinnert, doch die aufkommende Prog-Gitarre von Michel St-Pere (hauptamtlich bei Mystery aktiv) lässt die Nummer rockiger, dramatischer und epischer werden. Ein typisches Synthie-Solo im Neoprog-Stil (Johnny Maz) vollendet im Verbund mit schönen Melodien den gelungenen Auftakt.Gabby Vessoni von Fleesh gibt hier als Gastsängerin eine kurze Kostprobe ab – wunderbar.
Bei „The Giant Awakens“ leitet die Band mit mehrstimmigem Gesang ein, ein flotter Orgel/Gitarrenpart im Stil von Yes führt über in den choralen Refrain. Ein weiterer Synthie Part, elegische Gitarrenmomente, aber auch ein härteres Gitarrensolo prägen diesen im Vergleich recht kurzen Song. Denn mit „Carducee“ und „Stolen“ folgen zwei Longtracks mit über 12 bzw. über 11 Minuten. „Carducee“ startet mit Piano und verzaubert durch eine starke Eingangsmelodie (Gitarre + Keys). Der Gesang wirkt zuerst leger und sorgt für ausgeglichene Stimmung. Wunderbare Gitarrenharmonien, weitere ruhige Gesangsparts mit Piano und ein Synthieausklang faszinieren.
„Stolen“ dagegen beginnt mit leichtem Marschrhythmus und Gitarre, gefolgt von einem harten Gitarren-/Synthie-Part und etwas dunklerem Gesang. Der Song ist im Vergleich zum bisher Gehörten härter und dramatischer. Im Gegensatz dazu steht eine ruhige Passage mit Flötenklängen (Jean Pageau von Mystery ist hier als Gast am Werk), engelsgleicher Gesang und ein Pianosolo vom Feinsten. Nach amtlich schönem Gitarrensolo klingt die Nummer mit Gesang und weiterer Flöte aus.
Es folgt mit „Solitude“ ein kurzes atmosphärisches Stück mit toller Melodie vollendet von Gitarren und Synthies. „Chasing Morning Glory“ kratzt dann wiederum an der 10 Minuten Marke, startet reichlich verspielt und mit verträumtem Gesang, der sich aber alsbald verzerrt. Die Nummer wird im Verlauf immer sperriger und uneingängiger, was sich aber positiv auf das Gesamtbild auswirkt. Auch bei diesem Song schaffen es Huis perfekt, Melodien und tollen Gesang einzusetzen, um den Hörer zum Träumen zu bewegen.
Das flotte Instrumental „Haunting Days“ lässt die Keyboards wirbeln, knackige Rhythmen a'la Saga münden in eine Klavier-/Synthielinie mit Gitarrenbegleitung und Piano am Ende. Piano und Flöte lassen „We Are Not Alone“ zu einer melancholischen Ballade entwickeln, dessen Quintessenz neben dem berührenden Gesang aus einem tollen Gitarrensolo und atmosphärischem Ende mit elegischen Part unterlegt mit Chorgesang besteht.
Den Faden zum Holländischen könnte man nochmals beim Abschlußsong „Oude Kerk III“ aufnehmen. Ein Songtitel der sich auf die „alte Kirche“ in Amsterdam bezieht (vermute ich zumindest). Huis lassen nochmal an die 10 Minuten ihrer Progkunst auf den Hörer los, was sich nach mystischem Beginn, abgehackten Rhythmen und düsterem Gesang, nach einem Synthie-Break mit hartem Gitarrenanschlag und IQ Querverweisen im Orgelspiel zum Schluß hin in einen harmonischen Abgang ändert. Gesanglische Unterstützung erhält Sylvain hier von Eloise Joncas.
„Abandoned“ ist ein feines (Neo)Prog Album, welches man durchaus auch in den Mitt-Neunzigern veorten könnte. Aus dem Dunstkreis von Mystery entstanden, versteht es die Band mit bekannten Zutaten interessante und spannende Songs zu kreieren, die mal melodisch/harmonisch aber auch härter und sperrig auftrumpfen. Der Gesang von Sylvain passt hervorragend und der Vokalist ist mit einer wunderbaren Stimme gesegnet, was auch den mitunter mehrstimmigen Chören zugute kommt. Huis sind für mich eine echte Entdeckung im Progrock Bereich, auch wenn wir hier wieder in subjektiven Floskeln sprechen. Faszinierend und spannend !!
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