HAVEN OF ECHOES - Memento Vivere

Die Frage, ob Frequency Drift endgültig Geschichte sind und Haven Of Echoes quasi die Nachfolge-Band bedeutet, scheint immer noch nicht so klar beantwortet. Immerhin haben wir diese Frage bereits vor zwei Jahren beim Debut von Haven Of Echoes, „The Indifferent Stars“, gestellt. Nun sind die beiden Mainmen Andreas Hack und Paul Sadler (vocals) mit einem zweiten Album namens „Memento Vivere“ zurück. Und erneut hat Frequency Drift Harfistin, Nerissa Schwarz, wunderbare Klangcollagen beigesteuert.

Prinzipiell setzt das neue Album musikalisch genau am Vorgänger an, die Kompositionen wirken aber ausgereifter  und auch spannender, obwohl das Ganze bei „The Indifferent Stars“ wahrlich schon nicht von schlechten Eltern war. Thematisch beschäftigt man sich diesmal mit der Vergänglichkeit an sich und der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Klar, das da auch die nötige Dramatik, Melancholie und Düsternis mit in die Songs einfließt. Mit einem über 17-minütigen Song ins Album einzusteigen, kann man durchaus als mutig bezeichnen. Nicht so bei progressiven Rockbands und erst recht nicht bei Haven Of Echoes. Die Musik eignet sich sowieso nicht zum Nebenbeihören. Dafür passiert viel zu viel in den einzelnen Songs, ohne aber zu verkrampfen oder den roten Faden im Track zu verlieren. Verspielter Beginn, der in einen Beat und leicht wavigen Gesang mündet lässt Prog-Romantik bei "Non Sum - Non Curo" wirken, dazu passendes Programming und ruhige Momente, bevor dir Dramatik zunimmt, der Song schrägere Klänge liefert, mit härteren Einlagen und rauhem Gesang bis hin zu Screams etwas metallsicher wird. Immer wieder kommt man aber zurück in die wunderschön melodischen Passagen mitunter Gänsehaut liefernd und setzt höhere Intensität, ein Gitarrensolo und sphärische Klänge ans Songende. Beinahe unglaublich wieviel Leben Haven Of Echoes in der Lage sind in dieses Eröffnungsstück zu stecken. Ganz große Progrock-Kunst mit zahlreichsten Facetten.

Mit knapp über 8 Minuten ist das folgende „Ad Infinitum“ nahezu kurz geraten. Von Nerissa Schwarz geschrieben, wirkt der Song ausgeglichener aber auch melancholischer, verzaubert durch sphärische Klänge und teils betörenden Gesang. Die Melodien greifen sofort, sei es durch entspanntere Gitarrenparts oder aber auch durch wuchtige Drums (Wolfgang Ostermann) aufgewertet. Die Intensität und das spannende Soundgeschehen bleiben also auch bei diesem „kurzen“ Stück erhalten und ebnen den Weg zum mit über 14 Minuten nächsten Longtrack „It Walks Among Us“. Dieser beginnt verstörend mit einem fast schon doomigen Gitarrenpart. Die Nummer ist sicher die düsterste, melancholischste des Albums, bei der mal mit Piano zärtlicher Gesang unterstützt wird, mal düster dramatische Synthiesamples auftrumpfen und auch verzerrte Gitarren bis hin zum Solo die Atmosphäre beleuchten.

Das abschließende „Assimilation“ ist dann wiederum „nur“ knapp über 8 Minuten lang. Startend mit verspielten Klängen und folgend dramatischen Keys setzt Paul zu sehr hohem Gesang an, trifft mit Melancholie und Traurigkeit aber auch positiver Ausstrahlung den zeitgenössischen Nerv zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit und Haven Of Echoes lassen noch einmal verzerrte Klänge zu, begeisternd bis hin zum dramatisch bombastischen Finale.

Ja, der Musik von Haven Of Echoes kann man sich einfach nicht entziehen. Erst recht nicht, wenn man auf feinste progressive Musik steht und gerne tief in Songs eintaucht, sich durch diese (träumerisch) treiben lässt und für die ein oder andere abweichende Soundcollage offen ist. „Memento Vivere“ beinhaltet sowohl im Songwriting als auch in der musikalisch vielfältigen Umsetzung allerhöchstes Niveau. Man kann es einfach nicht anders sagen…das Album ist grandios !!