VÖ: 18.05.2018
Label: KScppe
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5 / 10
Die norwegische Neoprog / Artrock Formation Gazpacho gibt’s mittlerweile schon ein ganze Zeit lang. Mitte der 90er begannen die ersten Schritte und im neuen Jahrtausend legte man dann auch albumtechnisch los. Der Bezug zu Marillion ist nicht nur im Bandnamen allgegenwärtig (man benannte sich nach einem Song des Marillion Albums „Afraid Of Sunlight“), sondern auch durch die immer fortwährenden Touren mit der britischen Proglegende, sowie Ähnlichkeiten in Sound und Stimme.
Aber Gazpacho beziehen ihre Einflüsse auch noch aus Bands wie Porcupine Tree /Steve Wilson, Pink Floyd oder Sigur Ros. Meist ist die Musik der Norweger auf ruhiger Basis gebettet, mit einfühlsamen Klängen und Gänsehautmomenten. Dies findet auch auf dem neuen Album „Soyuz“ seine Fortsetzung. Im Groben geht’s bei „Soyuz“ darum, daß man die schönen Momente im Leben nicht einfach „einfrieren“ kann, sondern diese vorbeiziehen und somit eben nur Momentaufnahmen sind. Geschichten über die titelgebende, russische Raumkapsel sind ebenso Bestandteil („Sky Burial“) wie das von Hans Christian Andersen inspirierte „Emperor Bespoke“.
So beginnt die Reise mit dem 6-minütigen „Soyuz One“ mit latentem Computerbeat und Akustikgitarre. Der Gesang von Jan-Henrik Ohme ist berührend, die Gitarren klingen elegisch. Es folgt ein Piano-Part und ein etwas mysteriöser an Steve Hogarth erinnernder Gesangspart. Eine Violine gibt’s dann auch noch zu hören. Besinnlicher, wunderschöner Einstieg.
Überhaupt sind Piano Parts grundlegende Elemente für den Sound von Gazpacho und man erfährt diese in nahezu jedem Song. Nicht aber bei „Hypomania“, einem auf Drums und Akustik Gitarre basierendem Stück mit härterer Passage inklusive Glockenklängen. Doch „Exit Suite“ fährt die aufkeimende Dringlichkeit wieder zurück und lässt nach mysteriösem Anfang mit Piano und Streichern die Seele baumeln. Auch hier interpretiert Jan-Henrik mit verträumten Gesangsmelodien a'la Hogarth.
In Folge wechseln sich die ruhigeren Momente in der Regel mit bombastischeren Passagen ab. Piano/Streicher/Gesang in folkig verspielter Art trifft bei „Emperor Bespoke“ auf verzerrte Gitarren, elegische Soli und ein kurzes Duett mit Frauengesang zum Schluß. „Sky Burial“ legt viel Echo hinter den Gesang, belebt die Geschichte mit symphonischen Elementen und Hogarth-Pathos in der Stimmlage. Zum Schluß hin wird der Song bombastisch und hochdramatisch. Fantastischer Song !
So geht es immer weiter mit Piano Flächen, ästhetischen Synthies und atmosphärischem Gesang. Auch im Bereich der Percussions lassen sich Gazpacho immer mal wieder was einfallen, wie beispielsweise die Xylophon-Klänge bei „Fletting Things“ beweisen. Prunkstück des Albums ist sicherlich der 13 ½ minütige Longtrack „Soyuz Out“. Etwas geisterhafter, spaciger Beginn legt man mit Piano/Gesang die Grundlage für immer dramatischer, gitarrenlastiger werdende Atmosphäre. Mal ertönen engelhafte Chöre, mal verzerrte Vocals. Ein Aushängeschild bestens vorgetragenen Artrocks. Da wechseln Gazpacho von einem träumerischen Part mit elegischer Gitarre mal eben zu Marschrhythmen mit mehrstimmigem Gesang. Und das Ganze harmoniert auch noch glänzend. Das ist ganz große Songwriting Kunst und Progressive Rock der Extraklasse. Zum Schluß wird’s kurz jazzig mit etwas verklärtem Ende.
Doch noch nicht genug. Mit „Roppaccini“ gibt’s zum Abschluß nochmal vier Minuten Piano, Violne und balladesken Hogarth-Gesang, was in einem dramatischen Finale gipfelt.
„Soyuz“ ist jedem Artrock/Progrock Fan absolut zu empfehlen. Gazpacho sind nicht einfach nur eine Marillion Kopie, sondern gehen immer mehr ihren eigenen Weg und überzeugen mit tollen Songs und fantastischen Melodien. Vielleicht agieren die Norweger für den ein oder anderen in Summe etwas zu ruhig, dennoch lässt sich der Wohlfühlcharakter des Schaffens der Band nicht wegdiskutuieren. Tolles Album, bei dem auch Produktion und Artwork stimmen.
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