VÖ: 26.05.2017
Label: Eigenvertrieb
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Die Berliner Düster-Rocker Enemy I legen mit „Dysphoria“ ihr Debut Album vor. Einen ersten Vorgeschmack gab's zwar bereits 2014 mit der „Anywhere But Here“ - EP, aber für das erste vollwertige Album dauerte es bis jetzt.
Die Umschreibung des Stils mit Depressive-Industrial-Metal trifft's ganz gut, obwohl man bei manchen Songs auch einfach von Gothic oder Düster-Rock sprechen kann. Meistens sind Enemy I sehr elektronisch unterwegs was den Hauptanteil der Musik schon in den Industrial Bereich schiebt. Doch manchmal fährt man das Instrumentale auch in akkustische oder handgemachte Klänge zurück. Fein ist, daß Sänger Rob DeVille nicht wie der tausendste Dark Rock Einheitsvokalist klingt, sondern seine eigenen Trademarks mit einbringt. Da wird mal krächzig gerockt, deathmetallisch gegrowlt oder feinfühlig sanft gesungen und der düster wavige Ansatz auf ein Minimum reduziert.
Nach dem flotten, elektronischen Industrial Opener „Don't Trust“ werden Enemy I mit „Twinsight“ gleich metallischer, integrieren ein akustisches Break und liefern ein gutes Gitarrensolo ab. Ob dies von Marco Neujahr oder eher Jay Agana (beide Gitarre) abgeliefert wird, weiß ich allerdings nicht. Bereist im zweiten Song wird also bereits deutlich, daß die Berliner viel Wert auf Abwechslung im Sound legen.
Und das geht auch so weiter. „The Cage“ beginnt mit ruhigen Akustik-Gitarren, greift in die Vollen mit einem wuchtigen, langsamen Refrain und gipfelt in einem melodischen Solo. Danach wird’s Zeit für ein kleines 2 ½ minütiges, computerisiertes Zwischenspiel („S.A.R.B.“), bevor mit „Placebo God“ einer der härtesten Songs des kompletten Albums folgt. Schnelle Thrash-Vibes, kombiniert mit dunklen Vocals und Growls beherrschen die düstere Szenerie. Ein Song, der sehr zerfahren rüberkommt, aber daraus seinen Reiz gewinnt. „Miss Sex“ resultiert aus dem schwedischen Progressive Trance Projekt Kalimax (lt. Infoblatt), was immer das auch sein mag. Fakt ist, daß Rob hier äußerst giftige Vocals abliefert und der Song an sich gar spacig wirkt.
Wer auf Lyrics steht, dem bietet man bei „Without Undue Delay“ recht witzig und zynische Arbeit, so viel ich raushören kann. Generell scheinen Enemy I lyrisch eher das innere Seelenleben nach außen zu krempeln. Viel düsterer Stoff auf jeden Fall. Näher kann ich darauf nicht eingehen, da mir die Lyrics nicht vorliegen.
Was gibt’s noch auf „Dysphoria“? Den zumindest für mich Beinahe-Totalausfall „Heartbeat Decline“ mit seinen Dance Beats und Rhythmen, die eher in eine Disco gehören, als in einen Rockschuppen. Derbe Dance-Trance-Nummer, die mich mal gar nicht anspricht. Zum Glück bleibt's bei diesem einen Ausfall und man wechselt schön zwischen Industrial Abfahrten mit teilweisem Thrash-Anteil und balladesken Melancholien hin und her. Das Industrial-Death Geballer „Final Cut“, kurz vor dem Ende brilliert mit wuchtigen Drums und knallharten Dark Vocals. Der finale Song „Spell Cast“ holt abschließend nochmals die elektronischen Töne raus, die mit geflüsterten Gesangslinien gerade noch Techno-Tendenzen umschifft.
Ach ja, bei „Some Exist“ wurde ich irgendwie an das Konzeptalbum „Mouse“ der Progband Aragon erinnert, falls das jemand kennt. Das aber nur als Randnotiz.
Enemy I machen auf „Dysphoria“ viel richtig und hauen eine tolle Mischung aus Industrial Metal, Dark Rock, Gothic und teils progressive Rock raus. Musikalisch muss man sich dafür gar nicht mal verbiegen, was bedeutet, daß wir es hier trotz guter Gitarrensoli und manchen Drumausbrüchen nicht mit genialen Könnern zu tun haben. Die ist aber nicht nötig, da die Band auch ohne überfrachteten Firlefanz eine tolle Atmosphäre zurecht zaubert. Großes Plus, wie erwähnt, ist der variable Gesang von Rob DeVille, der sowohl als Rock Shouter, als auch als düsterer Vokalist mit waviger Note überzeugt.
Auch das Artwork ist gelungen – rundrum eine echt gute Scheibe. Weiter so !!
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