VÖ: 28.05.2020
Label: Eigenvertrieb
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Zwei Jahre nach dem ambitionierten „The Deconstruction Of Light“ ist es Zeit für neue Klangbilder aus dem Hause Electric Mud. Ideengeber Hagen Brettschneider hat sich diesmal (passend irgendwie zu den ganzen Lockdowns verursacht durch den Covid-Virus) um die stillen Tage auf der Erde gekümmert. „Quiet Days On Earth“ heißt das mittlerweile fünfte Studioalbum und bringt es auf fast 80 Minuten Länge. Also nochmal um Einiges mehr, als der Vorgänger, welcher auch nicht gerade kurz geraten war.
Im Gegensatz zu „The Deconstruction Of Light“ hat man diesmal auf etwaige bluesige Elemente verzichtet und den Tasteninstrumenten noch viel mehr Gewicht zukommen lassen. Dadurch verliert sich der teils noch rockige Charakter des Vorgängeralbums in viel mehr Atmosphäre, dichtere Klangformen und Soundcollagen, die manchmal gar in Filmmusik-Charakter auftreten. Ach ja, Gesang gibt’s bei Electric Mud immer noch nicht. Wie gehabt ist man rein instrumental unterwegs. Der Begriff Post-Progressive Rock kommt dem Ganzen schon nahe.
Nun gilt es also 80 Minuten lang eintauchen in die Klangwelten von Hagen Brettschneider, sowie dem mehr denn je geforderten Nico Walser (Sound-Mix, Keyboards, Noises), der diesmal auch die ganzen Gitarrenparts eingespielt hat. Und was sich aufgeteilt in 15 Songs hier entfaltet, ist ganz große Instrumentalkunst. Man muß „Quiet Days On Earth“ als Gesamtkunstwerk genießen, einzelne Songs hier rauszupicken macht keinen Sinn. Der Opener „Aurora Moon“ macht's gleich deutlich. Electric Mud investieren viel mehr in Atmosphäre inklusive vieler mystischer Klangformen, bei denen dennoch die melodischen, teils elegischen Gitarrenharmonien nicht fehlen dürfen.
So schwelgt die Einstiegsnummer nach ruhigen Piano-Beginn in recht düsterer Hintergrundstimmung, klart das Ganze mit „hellen“ Synthies auf, integriert ein Keyboard/Glockenspiel Duett und zum Schluß hin noch Blitz und Donner. Ein Auftakt, wie er atmosphärisch beeindruckender nicht sein könnte.
Das Auf und Ab der Stimmungen ist während des gesamten Albums greifbar. Oft mit einer melancholischen Traurigkeit versehen, beispielsweise durch Violine/Streicher bei „Silhouettes Floating Down A Rain-Slicked Street“, lässt Nico Walser wunderschöne Gitarrenmelodien folgen, welche den Hörer verwöhnen. Mal ist's eine Spieluhr („Mer De Glace“), mal wabern die Synthies regelrecht aus den Boxen, bis die Tür am Ende knarrt („Durance“). Gerade in längeren Stücken (welche diesmal aber nicht an die 10-Minuten-Marke heranreichen), passiert unheimlich viel, aber immer im Rahmen, des sphärischen, mitunter spacigen Grundtons.
Viele Moll-Klänge und düstere Passagen, die man in nahezu jedem Abschnitt findet, lassen aufhellende dicht Keyboard/Synthie-Teppiche folgen, ein Wechselbad von Verzweiflung und Hoffnung. „Adventures In A Liquid World“ beginnt ruhig und ausgeglichen, doch urplötzlich ertönen Celli (?)-Klänge und von einem leichten Western-Style wechselt's hinüber in eine symphonische Passage. Sphärisch und mit schönem Gitarrensolo klingt die Nummer aus. Nur ein Beispie,l was in den Songs von Electric Mud so alles passiert.
Wind bläst auf, moll-lastige Gitarre verheißt Düsteres, da helfen auch die Flötenklänge zwischendrin nicht viel. Es wird immer dunkler, bis eine Trompete erklingt und im Verbund mit den Keyboards eine neue Facette im Sound bedeutet. So weit „Into The Great Unknown“
Ich könnte noch viel mehr die einzelnen Songs sezieren und deren Faszination anpreisen. Man muß sich „Quiet Days On Earth“ einfach selbst anhören und genießen. Auch wenn 80 Minuten eine recht lange Zeit darstellen, die man erst einmal aufbringen muß. Aber, das sollte man definitiv tun und genießen.
Electric Mud spielen mit den Eindrücken des Hörers. Von der melancholischen, traurigen Aussicht einsamer Tage auf der Erde, bis hin zu dem Licht am Ende des Tages vertonen Hagen Brettschneider und Nico Walser ihre Geschichte fast schon Filmmusik reif (ach, das hab ich ja schon erwähnt). Zuhörer, die sich gerne zurücklehnen und treiben lassen, Instrumental-Alben (bis hin zu Vangelis oder Jean Michel Jarre) nicht abgeneigt sind und generell gerne musikalisch emotional berührt werden, müssen „Quiet Days On Earth“ zumindest gehört haben.
Ein fantastisches Instrumentalalbum, mit beeindruckenden und wundervollen Klang-Collagen, sowie viel Wendungen und Abwechslungen im abgesteckten Rahmen. Electric Mud haben ihren Sound etwas zugunsten der Keys und Synthies verändert. Dafür aber noch mehr an Intensität und Atmosphäre gewonnen. Ein absolutes musikalisch wertvolles Highlight.
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