VÖ: 22.02.2019
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Zu lang, zu langatmig, zu sperrig, zu überfrachtet...was hat man nicht alles Negatives über das letzte Dream Theater Album „The Astonishing“ gesagt. Nun ja, einiges davon war sicher richtig, ganz so schlecht war das Album aber auch wieder nicht. Egal, Album Nummer 14 steht an und Dream Theater gehen wieder mehr zurück zu den Wurzeln und legen mehr Wert auf den Song an sich.
Gemeinsam Songs schreiben, gemeinsam arrangieren, gemeinsam proben und nicht die Ideen von zwei einzelnen Personen umsetzen, das war die Prämisse von „Distance Over Time“. Und herausgekommen ist wahrlich ein sehr starkes Dream Theater Album, daß sich mit den allerbesten Werken durchaus messen kann. Frischer Wind also, der aus dem DT Lager bläst, auch der Labelwechsel (man ist jetzt bei InsideOut) könnte da eine Rolle gespielt haben.
Bereits der Opener „Untethered Angel“ lässt jeden Zweifel ausräumen. Langsamer Beginn, härtere Einstiegs-Gitarren und Jordan Rudess der, wie meist auf diesem Album, Orgel statt Synthies erklingen lässt. James LaBrie singt mittlerweile wieder wie ein junger Gott. Daß er mit professioneller Unterstützung nach wie vor an seiner Stimme arbeitet, kommt den neuen Songs mehr als zu Gute. Hier wurde der Gesang mit ordentlich Hall unterlegt und der eingängige Refrain trägt bereits Weltklasse-Format. Da auch die neuen Songs meist recht lang geartet sind, dürfen längere Instrumentalparts natürlich nicht fehlen. Kurz bevor die Sperrigkeit, ob der Spielintelligenz eines John Petrucci, Jordan Rudess oder Über-Bassist John Myung Überhand nimmt, zieht die Band zeitig die Reißleine und schmeichelt dem Hörer mit wunderbaren Melodien.
Das gilt ebenso für „Paralyzed“, welches sehr drumintensiv startet und zeigt, welch wertvolles Bandmitglied Drummer Mike Mangini mittlerweile ist. Ab sofort braucht keiner mehr Mike Portnoy nachtrauern, der neue Mike prägt Dream Theater Songs genauso mit seinem eigenen Stil wie der Vorgänger auch. „Paralyzed“ baut sich als Song immer mehr auf bis hin zum starken Refrain und einem Break, welchem ruhigere Klänge folgen. Das melodische Gitarrensolo von Petrucci schwebt über einen hinweg, unterstützt von tollen Keyboards.
Ein noch viel größeres Highlight ist danach „Fall Into The Light“, was sehr rockig und speedig mit harten Gitarren-Riffs beginnt. Die Gesangslinien LaBrie's sind außerirdisch gut, ein Wahnsinn wie augeklügelt der Gesang immer wieder die instrumentalen Eruptionen vereint. Eine ruhigere Akustikgitarren-Passage und das melodische Gitarrenthema unterstreichen das Melodieverständnis der Truppe, bevor der Speedpart zurückkommt und ein amtliches Orgelsolo diese fantastische Nummer beendet.
Und es geht einfach so weiter mit „Barstool Warrior“. Gitarre/Drums/Orgel...der Song beginnt an Rush erinnernd. Ein leichtes Gitarrenthema und schöner, teils mehrstimmiger Gesang erzeugen Harmonie. Der Zwischenpart mit Piano und das melodische Spitzengitarrensolo sowieso. Daß Dream Theater aber nach wie vor auch sperrig und fordernd können, zeigt eindrucksvoll „Room 137“. Abgefahrene Keyboards, verzerrte Vocals und vertrackte Rhythmen bedienen hier die Klientel der Musikerwelt und hauen eine Skalen-Reiterei nach der anderen raus.
Mittlerweile hat auch John Myung wieder seinen Songwriting-Anteil bei einigen Stücken, so bei „S2N“. Natürlich beginnt dieser Song dann auch stark bass-lastig und nimmt mit einem Gitarren-Drums-Part hart und schnell Fahrt auf. Auch hier sind die Vocals teilweise verzerrt, der Refrain dagegen ist sehr eingängiger und melodischer Natur. Das amtliche Gitarensolo von John Petrucci klingt hier etwas nach Joe Satriani und der erneut sperrige Track klingt mit zerfahrenem Orgel-/Gitarrensolo aus.
Spielerisches Können und divere Gitarrenfrickeleien , aber auch Piano lässt „At Wit's End“ verlauten. Wir werden Zeuge des mit über 9 Minuten längsten Songs von „Distance Over Time“. James LaBrie singt nach wie vor in fantastischer Art und Weise, hier auch mal mit einer Spur Melancholie. Nach einem Break flüstert er gar und geht in eins mit dem nachdenklich machenden Piano. Danach bricht der Song aus in einen epischen Gesang-u. Gitarrenpart und Dream Theater lassen die Nummer sehr lange ausfaden. Ganz starke Progmetal-Kunst.
Die Dream Theater-typische Halbballade folgt mit „Out Of Reach“. Balladesker Gesang, Piano und ein Gänsehaut Refrain sind die Zutaten, um auch diesen Song zum zukünftigen Klassiker zu machen. Auch dient der Song als kurze Erholungsphase bevor das Album den Hörer mit dem über 8-minütigen „Pale Blue Dot“ erneut fordert. Stimmen offerieren einen mystischen Beginn, bevor der Track in Stakkato-Riffs ausartet und die düstere Grundstimmung mit furiosen Keyboards und Gitarrenwirrungen zerpflückt wird. Ein ewig langer Instrumentalpart liefert Anspruch und Aufmerksamkeit ist die Voraussetzung für anhaltenden Genuß.
Abschließend und mit amtlichem Rudess-Mellotron startend holt der „Viper King“ noch mal einiges an Dream Theater Trademarks hervor. Flotte Rhythmen, schneller und mehrstimmiger Gesang verzaubern diesen recht straighten und für DT Verhältnisse fast schon einfachen Song. Nochmal ein Statement, daß Dream Theater nicht nur für Musiker und Instrumental-Fetischisten komponieren, sondern verstärkt wieder der Song im Vordergrund steht.
„Distance Over Time“ ist die Rückkehr von Dream Theater zu alter Stärke. Viel mehr klingt es sogar frischer als die letzten Alben und die Band präsentiert sich auch als solche und nicht als eine Ansammlung von Einzelkünstlern. LaBrie singt besser denn je und es ist einfach faszinierend, welch Melodien und Harmonien die Band im Stande ist zu schreiben. Aber auch das sperrige, forderndere Material ist völlig für sich selbst stehend und befördert Dream Theater dahin, wo sie hingehören. An die ProgMetal Spitze !!
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