VÖ: 29.03.2018
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Devin Townsend hat sein Project vorerst ad acta gelegt um sich und seine Musik neu zu beleben. Seine Musik sei am stagnieren gewesen, zwar auf hohem Niveau, aber ohne weiteren Fortschritt. Diesen will er nun in einem neuen „Solo“-Album wieder forcieren. Herausgekommen ist ein Mammutwerk mit nahezu 75 Minuten namens „Empath“. Daß dies bei Devin nicht ohne eine Vielzahl an Gästen, die auf dem Album mitwirken, abgeht, dürfte klar sein. So hat er für jede Art des Sounds die passende Alternative parat. Sei es im Drumbereich mit Morgen Agren, wenn es um Improvisation, Free Jazz geht, Anup Sastry (Periphery) für den Progmetal Bereich oder Saumus Pauolicelli (Decrepit Birth, Abigail Williams) für die Heavy Metal Schiene. Oder auch Gesangsunterstützung beispielsweise von Anneke van Giersbergen und sogar Chad Kroeger (Nickelback) beim Song „Hear Me !“. Devin holt sich viele Leute für seine opulenten Sound-Gedanken. Sind wir da nicht schon wieder im Bereich Projekt ? Schon irgendwie, aber Devin Townsend möchte dieses Album als persönliches, seine Fantasien auslebendes bezeichnet wissen.
Dabei beginnt alles noch so harmonisch mit Wellenrauschen, Möwen, ruhigen Gitarren, Chor und hawaiianischen Klängen bei „Castaway“, was aber direkt in „Genesis“ übergeht. Und hier wird der Hörer gleich immens gefordert. Kein Stein bleibt auf dem anderen, Devin Townsend verwurstet 100 Sounds in einem Song. Spleenige Computerklänge treffen auf moderne Riffs und lassen erst eine harte Industrial Abfahrt vermuten. Schnell getriggerte Drums, viel Programming und keinerlei erkennbarer roter Faden erzeugen Chaos, Verrücktheit und führen hin zu einem bombastischen Ende. Wie Devin einen solchen Song hinbekommt, ist beinahe schon sensationell. Es muss schon viel los sein in den eigenen Gehirnwindungen, um sich selbst einen solchen Song zu erklären. Genial !
Doch Devin kann natürlich immer noch Eingängigkeit. Bei „Spritis Will Collide“ lässt er Bombast nebst Chören einen tollen melodischen Refrain folgen, den er selbst mit seiner unverkennbaren Stimme singt. Sehr soundwandig (ein Begriff den ich selbst mal erfunden habe, sorry) geht diese Nummer am ehesten noch in die jüngere Vergangenheit des Devin Townsend Projects. Also nicht alles hat Devy hinter sich gelassen. „Evermore“ startet mit harter Rockgitarre, die lieblichen Chöre streiten sich mit abgefahrenem Gesang. Druckvoll symphonisch und proggig-flippige Klänge bilden das Gerüst, ein chaotisches Break schlägt einem ins Gesicht und der Gesang ist generell recht poppig gehalten. Nichts ist also wirklich auf den ersten Blick erklärbar, was Devin Townsend in seinen Songs auf „Empath“ sagen will.
Ein Erzähler, der wohl über einen Vogel spricht, bereitet in Einklang mit betörendem Gesang und Keyboardspielereien auf „Sprite“ vor. Erneut im Prinzip ein recht melodischer Song mit teils monströsen Gesangseinlagen, reichlich Bombast in der Mitte und etwaigen Computerklängen zwischendurch. Schnell, furios, symphonisch und disharmonisch...so beginnt „Hear Me“. Wie erwähnt mit Gesang von Chad Kroeger und Anneke van Giersbergen als Begleitung. Anneke intoniert recht hart für ihre Verhältnisse und steht dem Kreischgesang als Opposition fast in nichts nach. Die Gitarren werden tiefer gestimmt, die Nummer klingt recht modern.
Mit „Why“ erleben wir den typischen Townsend-Humor. Fröhlich symphonisch mit blumigem Chanson-Gesang, kurzem Growl zwischendurch, elfengleichem Gesang und musicalverdächtigen Vibes. Anders kann man diesen Spaß nicht bezeichnen. Der folgende 11-minüter „Borderlands“ ist dann wieder organisiertes Chaos pur. Ein Hahn kräht, leichter Piano/Gesang Auftakt täuscht und erneut verpackt Devy 100 Sounds in einen Song. Wirkt die Nummer in einigen Momenten total chaotisch, folgt schon ein Break mit Wasserplätschern, himmlischen Tönen und beruhigendem Gesang. Bis zum atmosphärischen Ende hin nimmt das Ganze wiederum immens an Fahrt auf.
„Requiem“ ist dem Titel entsprechend mit sakralen Chören bestückt, dramaturgisch aufgebaut und recht symphonisch gehalten. Kurzes Zwischenintermezzo quasi zum mit über 23 Minuten längsten, das Album abschließenden Stücks „Singularity“. In diesen 23 Minuten lebt Devin Townsend alles aus, was er musikalisch zu sagen hat. Schöne Gitarren mit viel Hall unterlegt und ein ruhiger Gesangspart führen ein, natürlich wird’s in Folge immer intensiver und im Prinzip zum harten Progmetal. Harte Riffs, schwere Sounds und teils schnelle Raserei beinhaltet dieses Monster, daß selbstverständlich zwischendrin auch mal Gänge herunterschaltet, Keyboard Kakophonien und wirre Soundscapes auf den Hörer loslässt und zum Ende hin melodischer, bombastischer ausklingt. Facettenreich wie das gesamte Album.
„Empath“ ist Devin Townsend in Reinkultur. Seine Gedanken beim Songwriting sind schwierig nachzuvollziehen, die einzelnen Songs nicht einfach zu konsumieren. Dennoch kann man die Genialität des Meisters in jeder einzelnen Note spüren. Was im ersten Eindruck chaotisch, gegenläufig wirkt, macht im Gesamtkontext der einzelnen Songs dann wieder Sinn. Einfach mal das Album so nebenbei auflegen, funktioniert sicherlich nicht und auch der durchschnittliche, einfach gestrickte Musikkonsument sollte sich beim Hören aus eurer Umgebung fernhalten. „Empath“ ist ein Monument, ein Album, welches Devin Townsend's Lebenwerk auf den Punkt bringt. Oder auch nicht ? Macht euch davon selbst ein Bild...
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