VÖ: 07.08.2020
Label: earMusic
8,5Autor: Kerbinator
Bewertung: 8,5/ 10
Es gibt wohl aktuell keine relevantere, noch existierende Musiklegende wie Deep Purple. Das liegt daran, daß die Band momentan ihren ach wievielten Frühling im Spätherbst ihrer Karriere erlebt und immer noch regelmäßig starke Alben veröffentlicht. Dabei können es sich Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Steve Morse und Don Airey mittlerweile erlauben, viele verschiedene Musikstile in ihr Songwriting zu integrieren, ohne das typische Deep Purple Feeling zu verlieren. Sie sind dafür einfach zu lange im Geschäft, um schlechte Songs zu schreiben.
Dabei gehen die Briten aber keinesfalls auf Nummer sicher, sondern überraschen ein ums andere Mal mit mehr als gefälligen Songs. Auch nimmt man es Deep Purple niemals krumm, ihre Alben irritierenderweise einfach nur „Now What?!“, „Bananas“ oder wie in diesem Fall beim 21. Album lediglich „Whoosh!“ zu nennen. Darüber spricht man, das bleibt hängen und natürlich erhält die Band immer schon lange vor Veröffentlichung eines neuen Werks reichlich Presse. Klar, hebt sie auch das mittlerweile von anderen Legenden wie beispielsweise Wishbone Ash ab.
„Whoosh!“ enthält 13 neue Songs unterschiedlicher Coleur. Doch mit dem Opener „Throw My Bones“ gelingt der Band gleich ein großer Wurf. Selten haben Deep Purple ein Album mit solch einer Rakete begonnen. Dabei beinhaltet die Nummer etwaige Streicher im Background, brilliert aber mit tollen Gesangslinien von Ian Gillan, der die schon lange nicht mehr erreichbaren Höhen von früher gar nicht benötigt, um weiterhin mit seiner tollen Stimme zu faszinieren. Der starke, melodische Refrain bleibt im Ohr, Airey's Orgel begleitet nur leicht, soulige Vibes vollenden dieses fast schon tanzbare Einstiegsstück.
Es fällt auf, daß Deep Purple mit der Zeit auch bluesige Themen für sich entdeckt haben. „Drop The Weapon“ versprüht neben Hard Rock Riff von Morse und einem erstmals auftauchenden Trademark-Duell zwischen Morse und Airey eine weitgehend bluesige Stimmung. In Folge gelingt es der Band ein Potpourrie der rockmusikalischen Geschichte immer auf Deep Purple Niveau zu lenken. Meist im gemäßigten Rahmen fühlt man sich wohl bei den Songs, wilde Ausbrüche von früher benötigt es dabei nicht.
Klar dürfen die Musiker auch ohne Ian Gillan mal in einem reinen Instrumental („And The Adress“) ihr unglaubliches Können in einer Quasi-Session zeigen. Ansonsten wechselt man die Stile hin und her, immer aber mit der markanten Orgel und typischen Steve Morse Gitarrenhooks garniert. Da bringt Don Airey mal eine Kirchenorgel an den Mann im beschwingten 60er Vibes-Stück „Step By Step“. Dann wiederum verweist er in Form eines Bar-Pianos auf die Machenschaften des Rhythm'n Blues („What the What“).
Dennoch bleibt noch genug übrig für kernigen, reinen Deep Purple Hard Rock, der straight und flott ins Ohr geht („The Long Way Round“, „Nothing At All“, „No Need To Shout“). Ein wenig ungewöhnlicher für die Briten wird’s zum Ende hin mit dem spacigen „Man Alive“, das fast schon Progressive Rock Züge annimmt. Und dem funkigen Abschlußsong „Dancing in my Sleep“.
Es ist absolut faszinierend, mit welcher Spielfreude und Motivation diese ehrenwerten, verdienten Gentlemen auch auf „Whoosh!“ wieder an die Sache herangehen. Dabei könnte man doch meinen, die Herren könnten ihren Lebensabend bei gutem Wein und ihren Familien im jeweiligen Landsitz verbringen. Nicht aber bei Deep Purple. Sie erfinden sich natürlich nicht mehr neu, erfreuen die Fans aber nach wie vor mit sehr guten Songs/Alben, die auch mal die ein oder andere kleine Überraschung parat halten. Vielleicht ist der Albumtitel „Whoosh!“ ja auch ein Hinweis an alle Kritiker, daß man Deep Purple auch anno 2020 noch lange nicht abschreiben sollte. Chapeau !
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