VÖ: 13.02.2015
Label: Keiler Records
Autor: Kerbinator
Bewertung: 9 / 10
Hard Rock Bands, die man als Sensation über Nacht bezeichnen kann, findet man seit vielen, vielen Jahren nicht mehr. Der plötzliche Ruhm....das ist lange vorbei. Somit ist es mit einem Augenzwinkern zu sehen, daß die Hamburger Hard Rocker von Chalice ihr neues Album mit dem Titel „Overyears Sensation“ versehen haben. Dies wiederum beweist, daß die seit Mitte der Neunziger aktive Band ihren Humor keinesfalls über die Jahre verloren hat und man den Titel durchaus auf die Band selbst beziehen kann. Mit einem Lächeln natürlich...so zumindest Bassist Stefan unlängst im Interview.
Die fünf sympathischen Burschen sind selbstredend nicht mehr die Allerjüngsten, die Spielfreude und Energie sind aber nahezu ungebrochen, wie man kürzlich auf einem Kurztrip mit Michael Schenker's Temple of Rock erfreut zur Kenntnis nehmen durfte.
...und dies äußert sich auch auf dem neuen, mittlerweile siebten Studioalbum.
Los geht’s mit der neuen Hymne „You Better Get Used To It“. Kerniger Hard Rock mit supereingängigem Refrain, wie man ihn von Chalice in ihren besten Momenten kennt. Ein treibender Song, der sich sofort im Ohr festsetzt. Auffallend auch die stets präsenten, teils virtuosen Keyboard und Piano Parts von Axel Hoffmann...ein wichtiger Bestandteil im Sound von Chalice. Aber diese werden immer songdienlich im Stile von Größen wie Deep Purple oder Rainbow eingesetzt und überfrachten die Songs somit nicht.
Gitarrist Oliver Scheer bringt die nötige Härte ins Spiel und würde sicherlich auch im reinen Metal-Bereich eine gute Figur abgeben. Sänger Gino Naschke besitzt nach wie vor seine prägnante, manchmal an Joe Elliott erinnernde Stimme, nicht zu seicht und nicht zu aggressiv.....klasse Hard Rock Röhre eben.
Um bei Joe Elliott und Def Leppard zu bleiben....der folgende Titelsong „Overyear Sensation“ könnte beinahe aus der Leppard „Hysteria“ Phase stammen. Auch hier wieder ein Refrain zum Niederknien. Chalice verstehen es nach wie vor fantastisch, Refrains der Extraklasse zu schreiben. Natürlich werden hier und da bekannte Größen und Songs anderer Künstler zitiert, das Rad im Hard Rock erfindet man ja auch nicht neu, aber es ist schon beeindruckend, welche Fröhlichkeit und Freude die Songs erzeugen können.
„Rock'n Roll Machine“ dagegen groovt und swingt in bester Aerosmith Manier. Sonnenbrille auf....Coolness raushängen lassen und direkt vom Tresen auf die Straße. Ein glänzender Gassenhauer amerikanischer Prägung mit einem gehörigen Hauch von Sleaze.
Natürlich gehört es bei Hard Rock Bands auch zum guten Ton ordentliche Balladen oder Halb-Balladen zu schreiben. „Chasing the Wind“ ist so eine Halb-Ballade. Trotzdem rockt die Nummer immer noch ordentlich und überrascht gar mit einem Saga-ähnlichen Mittelpart. Dies unterstreicht den progressiven Touch, den manche Songs von Chalice schon seit je her mit sich bringen. Ok...die Oh..ho...ho – Chöre zum Schluß wirken etwas plakativ, aber Spaß macht der Song definitiv.
Mit „Glorious Again“ (auch hier vernehme ich das Augenzwinkern) rockt man danach wird ordentlich nach vorne. Solide, eingängig....mitsingbar.
Die restlichen Songs liegen alle irgendwo zwischen dem bisher Gehörten. Mal ruhigere Songs wie „All About Your Love“ (mit tollem Refrain), die aber niemals cheesig wirken. Mal härtere Stücke mit Neigung zum Metal („Turn Away“). Alles kompetent gespielt, manche Songs zünden eher, manche laufen erst nach mehrmaligem Hören zur Form auf („Shake the Earth“). Füller Songs sucht man vergeblich und somit kann man Chalice bescheinigen, mit dem neuen Album wieder einmal alles richtig gemacht zu haben. Sie ziehen ihr Hard Rock Ding auch anno 2015 rigoros durch und scheren sich einen Dreck um Trends oder moderne Sounds. Dies belegt, daß man mit sich selbst im Reinen ist und den Spaß am Musikmachen einfach genießt. Diese positive Einstellung und Energie überträgt sich durch die Songs sofort auf den Hörer und man wird Teil dieser unbändigen Spielfreude.
Ausklingen lässt man das Album etwas melancholisch mit der rein instrumentalen Akkustikgitarren-Nummer „Last Wish“.
Es ist wirklich schön zu sehen, daß es doch noch schönen, schnörkellosen Hard Rock in seiner urtypischsten Form zu hören gibt. Ohne Anbiederung an die Frauenwelt und dem Versuch auf Teufel komm raus in die Charts zu kommen.
Chalice verstehen sich seit Jahr und Tag auf diese Musik und auch „Overyears Sensation“ macht hier keine Ausnahme. Auch wenn's schon mal erwähnt wurde...es macht tierisch Spaß den Jungs zuzuhören und auch wenn die Sensation über die Jahre hinweg ausgeblieben ist, der Fan von Hard Rock der besseren Sorte darf an Chalice nicht vorbei.
Das limitierte Digipack kommt außerdem noch mit einem Download Link, bei welchem man kostenfrei die remasterde Version des Debuts „In Wonderland“ herunterladen kann.
Chalice, damals und heute...na wenn das nicht ist !!
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