Tracklist:
VÖ: 10.05.2019
Label: InsideOut Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Ein ganz feines Kleinod spendieren uns dieser Tage InsideOut Music. Und zwar in Form eines neuen Albums der italienischen Früh-Progger Banco Del Mutuo Soccorso. Diese Band, die seit Anfang der 70er Jahre Alben veröffentlicht hat und im Fahrwasser von Bands wie Gentle Giant, Yes, ELP und Jethro Tull mitgeschwommen ist, hat zwar nie den Erfolg eingefahren, wie genannte Bands (ein Song namens „Moby Dick“ mal ausgenommen), dennoch sind Banco Del Mutuo Soccorso eine einflußreiche Band, die nicht nur italienische Prog-Bands beeinflusst haben dürfte.
„Transiberiana“, das neue Album, ist nun seit 1994 das erste Studiolebenszeichen, natürlich möchte man fast meinen, in rundererneuertem Line Up. Gründungsmitglied und Tasteninstrument-Fetischist Vittorio Nocenzi hat feine Musiker um sich geschart und ein wahres Monument sperrigen und nicht einfach zu konsumierenden Progrocks erschaffen. Denn Banco Del Mutuo Soccorso und somit auch die elf neuen Songs sind trotz aller melodischen Passagen alles andere als sofort eingängig. Und auch der Gesang von Tony D'alessio, der den 2014 verstorbenen Sänger Francescon Di Giacomo (R.I.P.) ersetzt, liefert seinen Teil dazu bei.
Das neue Album folgt einem Konzept über die dynamische Reise des Lebens, garniert mit autobiografischen Essenzen. Daß Banco Del Mutuo Soccorso auch einiges an Jazz-Elementen in den Sound integrieren, äußert sich bereits im ersten Song „Stelle Sulla Terra“. Ja, die Band schreibt und singt die Lyrics in italienisch, was für den gewöhnlichen Hörer zusätzliche Aufmerksamkeit erfordert. Verträumte Keyboardklänge zu Beginn ändern sich alsbald in Jazz-Rhythmen und Gitarrenelegien, die durch den recht hohen Gesang an Melodramatik zulegen. Eine hektische Gesangpassage und Mandolinen-Töne lassen gar nicht erst zu viel der Harmonie aufkommen, flotte Passagen mit Gitarre und Klavier dagegen schon. Es passiert also bereits zu Beginn sehr viel innerhalb eines Songs, was den ein oder anderen schon recht früh überfordern könnte.
Dagegen holen eine recht kurze Nummern wie „L'imprevisto“ mit Synthie-Spielereien, himmlischen Gitarren, mehrstimmigem Gesang und Orgelmomenten immer wieder in den Schoß der Prog-Geborgenheit zurück, bevor man eventuell das Handtuch wirft. Nun gut, jazzig wird’s beinahe in jedem Song, Feinheiten wie Herzschläge und an Saga erinnernde Keyboards bei „L'assalto Del Lupi“ inklusive Sprechgesang halten die Spannung aber jederzeit hoch.
Die Theatralik und innerliche Zerrissenheit im Songwriting zieht sich komplett durch's Album. Da liefert man mal ein 2-minütiges Piano-Intermezzo („Laciando alle spalle“) oder leichte Beatles-Vibes im recht entspannten „Eterna Transiberiana“, immer im rechten Moment mit Orgel-oder Mellotronklängen verfeinert. Will man sich einen Höhepunkt herauspicken, dann vielleicht „Il Grande Bianco“. Langsamer Beginn, schöne Synthieklänge und theatralischer Musicalgesang führen zu klassisch symphonischen Melodien. Man lässt flottere Parts folgen und endet mit tragischem Piano. Herausragend komponiert. Als Zugabe gibt’s noch zwei Live-Versionen von älteren Songs („Metamorfosi“ und „Il ragno“), ein guter Beleg, wie die Band auch live funktioniert.
Banco Del Mutuo Soccorso sind keine Progband für Zwischendurch. Die Band fordert den Hörer, verwöhnt aber auch mit nachvollziehbaren Strukturen und wunderschönen Passagen. Das ist musikalische Kunst auf sehr hohem Niveau, aufgrund der sperrigen Ausrichtung aber eher was für Gourmets des Prog als für Artgenossen des Neo-Prog. Eine eindrucksvolle Rückkehr von Banco Del Mutuo Soccorso auf Albumebene.
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