VÖ: 03.11.2017
Label: Neverland / Silver Lining Music
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Inklusive dem aktuellen Line-Up hatte Annihilator in ihrer 33-jährigen Karriere rund 40 Mitglieder (mit Live-Mitarbeitern). Und durch drei Jahrzehnte und zwei Dutzend Mitgliederwechsel gab und gibt es nur eine Konstante - Jeff Waters. Einer der am meisten unterschätzten Gitarristen und Songwriter im Business. Annihilator waren und sind schon immer seine Angelegenheit. Im November 2017 kehren Jeff Waters und Annihilator mit Album Nr. 16 - "For the Demented" - in das Scheinwerferlicht zurück.
Das zweite Album seit dem Weggang des langjährigen Sängers / Gitarristen Dave Paddon (das am längsten amtierende Mitglied der langen Liste ehemaliger Mitglieder von Annihilator). „For the Demented“ hat viel zu beweisen. „Suicide Society“ von 2015 war zwar insgesamt ein Hit verfehlte aber ihre Ziele, da man zu sehr auf große Chöre und zu wenig auf das Wesentliche, die Songs, setzte. In unzähligen Interviews während des letzten Jahres hat Waters immer wieder gesagt, dass "For the Demented" eine Rückkehr zum Sound der ersten legendären Annihilator-Alben ist, die mehr mit "Alice In Hell" oder "Set the World" gemeinsam haben. Mehr Feuer als bei „Suicide Society“ oder „Feast“.
Um dies zu unterstreichen eröffnet „For the Demented“ gleich mit dem Album-Highlight und Singleauskopplung "Twisted Lobotomy". Dieser Song ist ein klassischer Shredder, der mit allen anderen Highlights aus dem umfangreichen Back-Katalog der Band mithalten sollte. Er beinhaltet Thrash wie er sein sollte, und er ist bei weitem eines der besten Songs auf "For The Demented“. In der zweiten Hälfte von "For the Demented" kommen dann noch sofortige, künftige Thrash-Klassiker mit "Phantom Asylum" und "Altering the Altar" hinzu. "Phantom Asylum" eröffnet mit einem wirklich unheilvollen Intro und ist ein bisschen mehr Groove fokussiert als "Twisted Lobotomy". Der Track wird mit seinem Hooky-Chorus und seiner vernichtenden Heaviness zu einer wahren Pit-Hymne. Mit einem weiteren melodischen, und leidlich verführerischen Intro, klingt "Altering the Altar" wieder wie im Jahr 1984 und treibt den Speed an die Spitze, mit gerade genügend Melodie, um sich in dein Gehirn zu bohren. Beide Tracks sind willkommene Ergänzungen zu jeder Annihilator-Setlist.
Aber nicht jeder Song auf 'For the Demented' ist ein tosendes Thrash-Fest. Der Titelsong trägt eine gesunde Portion 70er-Jahre-Hommage auf und fühlt sich etwas traditioneller und bekannter an. Das düstere Intro und der ziemlich schwere Refrain täuschen - der Großteil von "For the Demented" ist ein schmieriger, klassischer Rock-beeinflusster Banger - allerdings mit ein bisschen Annihilator- Signatur-Thrash, der dem Track dadurch einen einigermassen interessanten Sound verleiht. Jeff Waters war schon immer offen gegenüber Einflüssen, die er von anderen Bands zeiht, und es ist nicht schwer zu erraten, welches kommerzielle Schwergewicht er hörte, als er "Pieces of You" schrieb - sowohl seine Vocals als auch die Instrumentation auf "Pieces of You" klingen doch nicht unerheblich nach Metallica.
"Not All There" bringt "For the Demented" zum Abschluss, um die Grenze zwischen den Old School-Summit des Titeltracks und der thrashigen Urgewalt der oben erwähnten Highlights zu erklimmen, verpackt mit einem verblüffend hakigen Refrain und einem kurzen Anflug von Jazz in der Mitte und zum Ende des Songs hin.
Die (fast) Erstklassigkeit der Songs beiseite gelassen, gibt es zwei Probleme die „For The Demented“ Abzüge kosten. Erstens, und das ist das kleinere Problem, ist die Reihenfolge. Die Tracks könnten besser strukturiert sein - zum Beispiel könnte das eindringliche Synthie-Interlude "Dark" als Intro stärker benutzt werden, um die Atmosphäre für den Rest des Albums aufzubauen und „Twisted Lobotomy“ sollte meiner Meinung nach als stärkster Track nicht gleich am Anfang stehen. Das ist jedoch ein sehr kleiner Schwachpunkt - aber einer, der doch erwähnt werden sollte. Das größere Problem ist die verwirrende Ausrichtung, die das Album zu haben scheint. Jeder Song von 'For the Demented' ist ein moderner Klassiker. Individuell gibt es fast nichts, was man an den Songs bemängeln kann. Doch als Ganzes fühlt sich "For the Demented" ein bisschen unfertig an - während der Großteil des Albums genauso hart zuschlägt wie alles in Annihilators Back-Katalog, scheint die Ballade "Pieces of You" beispielsweise irgendwie fehl am Platz. Ausgezeichnete Songs, natürlich, aber etwas seltsam anmutend teilweise.
Nach dem ersten Hören ist klar, dass Jeff Waters sich am meisten inspiriert fühlt – und mit einigen der besten Tracks, die er in seiner Karriere je geschrieben hat, ist "For the Demented" insgesamt doch verdammt gut. Obwohl es ein paar kleinere Ausraster gibt, welche die Perfektion kosten, ist "For the Demented" ein Sturm, der den Zuhörer wahrlich wegbläst. Den Annihilator-Fans wurde eine Rückkehr zum Glanz der "glorreichen Tage" versprochen, und Waters hat größtenteils Wort gehalten.
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