VÖ: 08.01.2019
Label: Sliptrick Records
Autor: Kerbinator
Bewertung: 8 / 10
Erst kürzlich hatte ich mit Kollege Markus Eck von Metalmessage noch einen kleinen Dialog abgehalten, was gute Progrock(-metal) Musik auszeichnet. Ein ganz wichtiger Punkt war der, daß man bei immer wieder erneutem Hören auch immer wieder neue Nuancen entdeckt. Und dies trifft tatsächlich auf „The Art Of Trees“, dem neuen Album der Italiener Althea, zu.
1998 gegründet ist die Band schon etwas länger am Start. Die musikalische Klasse der Band konnte somit über einen längeren Zeitraum reifen und lässt im Hier und Jetzt keine Wünsche über Versiertheit der Instrumentalisten oder Fähigkeiten im Songwriting offen. Auch wenn die Italiener in ihrem Metier bisher bei uns wohl bisher ein unbeschriebenes Blatt sind, ist „The Art Of Trees“ bereits das dritte Album der Band.
Prinzipiell spielen Althea ungefähr in der Schnittmenge zwischen reinem Progressive Rock und ProgMetal. Irgendwie erinnert mich die musikalische Ausrichtung an die deutsche Kapelle Everon, die ab Mitte der 90er bis Mitte der 2000er Jahre ein paar famose Tondokumente abgeliefert haben. Auch bei ihnen ist der Härtegrad überschaubar und der Fokus wird auf Melodien und musikalische Schönheit gelegt. Dennoch findet sich auf „The Art Of Trees“ der ein oder andere fulminante Ausbruch und manche härtere Note.
Ist das Vogelgezwitscher zu Beginn des Openers „For Now“ ? - Könnte sein. Jedenfalls folgen recht moderne Riffs und verzerrte Sounds und erst zum Ende hin setzt Gesang und Refrain ein. Apropos Gesang. Sänger Alessio Accardo besitzt eine ausdrucksstarke, recht hohe Stimme, die perfekt zu progressiver Musik passt. Warme, berührende Streicheleinheiten hat der Knabe genauso drauf, wie impulsive, dominantere Lautbarungen. Für Insider: Mich erinnert Alessio manchmal an den Sänger der französischen Progband Atria (Jean Michel Paci), die in den 90ern zwei tolle Alben veröffentlichten. Egal, kennt eh kein Mensch mehr.
Auch zu Beginn von „Deformed To Frame“ erlebt man recht moderne Prog-Rhythmen, teilweise erinnert man musikalisch an Dream Theater, brilliert aber mit einem sehr starken, emotionsgeladenen Refrain. „One More Time“ startet etwas dramatischer mit Keyboards, frickeligen Gitarren und im Grunde sehr proggig. Im Verlauf wird’s aber dann eher verträumt mit harmonisch gedoppeltem Gesang und schönen Melodien. Die Keyboards spielt übrigens Gitarrist Dario Bortot nebenbei. Er zeichnet sich durchaus kompetent an beiden Instrumenten aus.
Mit „Today“ erlebt man dann erstmals eine reinrassige Progrock Nummer, die ruhig mit Akustikgitarre und schönem Gesang glänzt, einen amtlichen Wechselgesang-Kanon beinhaltet, und mit einem luftigen Refrain aufwartet, der einen sichtlich berührt. Gänsehaut meine Damen und Herren !
Innerhalb eines 9 minütigen Longtracks lernen wir „Evelyn“ kennen. Aufgrund der Länge natürlich mit der abwechslungsreichste Song des Albums. Auch hier starten Althea mit verträumten Melodien, tendieren später zu einer Art gitarrenorientiertem Melodic Rock, der auch mal kurz härter wird und sogar etwas spacige Töne loslässt. Eine wunderbare, ruhige Gitarrenpassage holt uns dann wieder zurück in die Wärme, bevor wieder schneller operiert wird. Sehr abwechslungreich also.
„Not Me“ beinhaltet Keyboards, die ich immer aus Laune heraus als Kirmes-Orgeln bezeichne. Zusammen mit härteren Gitarrenklängen wird’s äußerst sphärisch und manches erinnert mich gar an die Kanadier Rush. Doch Althea wissen, wo ihre Hauptstärken liegen und liefern mit Akustikgitarre und Hammond-Orgel erneut berührende Momente, mit Melodien, die völlig für sich selbst stehen.
Kaum hat sich die erneute Gänsehaut gelegt, folgt schon die nächste bei „The Shade“. Wundervoller harmonischer Refrain, traumhafte Klänge inklusive Saxophon....ach ja, Herz was willst du mehr.
Der zweite Longtrack des Albums ist gleichzeitig der Titelsong „The Art Of Trees“. In erneut über 9 Minuten erlebt man frickelige Gitarren, einschmeichelnden Gesang, tolle wiederum an Rush erinnernde Parts, sowie träumerische Piano/Akustik Weisen, die viel Können aufblitzen lassen. Alles in allem steckt die Nummer im Gegensatz zu „Evelyn“ aber zurück. Auch die letzten beiden Songs „Away From Me“ und „Burnout“ können im Gesamtbild des Albums nicht richtig überzeugen, man hat fast den Eindruck, die Ideen gingen aus. Es hört sich zerfahrener und uninspirierter an als zuvor, obwohl auch diese Songs durchaus ihre Momente haben.
Hatte ich zuerst Angst, es bei Althea mit einer dieser Rhapsody (of Fire) / Labyrinth Klon Bands zu tun zu haben, wurde ich schon von Beginn an positiv überrascht. Die Musik hat viel von gediegenem ProgRock, kann aber auch in härteren Sphären sehr gut bestehen. Gewisse Einflüsse von Dream Theater und teilweise Rush sind unverkennbar, wenn man aber in die wunderschönen Melodien, von denen es viel zu hören gibt, hinüber wandert, haben wir es bei „The Art Of Trees“ mit einem wahren Kleinod progressiver Musikkunst zu tun. Sehr starkes Album !!
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