Rock Castle: Hi Mikey, zuerst einmal vielen Dank für die Möglichkeit eines Interviews. Steigen wir gleich mitten ins aktuelle Geschehen ein. "At The Circus", das neue Starquake Album ist jetzt erschienen. Und es ist, natürlich unsere subjektive Meinung, ein grandioses Werk geworden. Erzähl uns mal etwas über die Entstehung und die Hintergrundgeschichte zu diesem Album. Es scheint ja ein loses Konzept dahinter zu stehen....
Mikey: Ja Erich, das mit dem losen Konzeptalbum trifft’s schon sehr gut, ich wollte eine Art Sgt Pepper meets A Night At The Opera schreiben, Songs die nicht zwingend eine Geschichte erzählen, aber trotzdem irgendwie zusammengehören. Und natürlich sollte es das beste Starquake Album aller Zeiten werden. Wenn man mit der Einstellung rangeht „ich schreib jetzt mal ein mittelmäßiges Album“ dann braucht man eigentlich gar nicht erst anfangen. Natürlich wird ein Meilenstein wie Sgt Pepper oder ein Magnum Opus wie A Night at The Opera nie mehr erreicht werden, aber bei so hohen Zielen scheitert man dann hoffentlich auch auf hohem Niveau. Also hab ich die Zirkus-Idee von John Lennon’s Mr. Kite und einen Titel eines Marx Brothers Films genommen (wie Queen bei ANATO und A Day At The Races) und entstanden ist: At The Circus, eine kleine Reise in die Classic Rock und Prog Rock Zeit der 70er, mit wiederkehrenden musikalischen Themen, mit bissl NWOBHM gewürzt und gut umgerührt, voilá: Neo70sRock.
Rock Castle: Vier Jahre sind seit dem letzten Album "Time Space Matter" vergangen. Nimmst Du Dir so viel Zeit wie möglich, um ein Album wie "At The Circus" zu schreiben und auszuarbeiten. Oder lässt Du erst ein wenig Zeit verstreichen nach einem Album, um dann mit neuer Frische an das nächste Album heranzugehen ?
Mikey: Da gibt’s keinen klar definierten Zeitpunkt. Ich hab ja immer irgendwelche Melodiefetzen oder Textfragmente, die um mich rumfliegen, und manchmal findet so ein Bruchstück den Weg auf meine Festplatte, in die Ideen-Sammlung. Es kann sein, dass ich da dann sofort bisschen mehr draus mach, es kann aber auch sein, dass es auf der Harddisc vergammelt. Meistens beginnt die wirkliche „Arbeit“ am neuen Album gleich wenn das vorherige veröffentlicht ist, dann geh ich mit Elan und Freude und beschwingt durch die Euphorie über das „endlich-isses-draußen“ ans Werk und schnitz aus den Aphorismen was neues zusammen
Rock Castle: Demnach dauert es also doch etwas länger, bis solch ein Album dann letztendlich steht. Gut, das Ergebnis gibt Dir da vollkommen recht. Manche Musiker, die Du für deine Alben auswählst kehren immer wieder wie Jan van Meerendonk, Alex Kugler und Andi Pernpeintner, andere ziehst Du aber neu hinzu. Wie gehst Du an die Mitmusiker heran, wenn Du die Aufnahme eines neuen Albums planst und haut das dann zeitig auch immer so hin ?
Mikey: Also für das At The Circus Album ist mir fast alles wunderbar in den Schoß gefallen. Da waren alle hellauf begeistert und mega-engagiert. Ich hab immer so ungefähr im Ohr wie's klingen soll und kenne dann im Normalfall jemanden, der das so umsetzen kann. Einzig die Suche nach der weiblichen Stimme für das Duett war etwas aufwendiger, aber da hab ich dann durch einen gemeinsamen Bekannten die Gaby gefunden. Die singt eigentlich in einer Thrash Metal Band (Red to Grey) und war erst etwas unsicher, ob sie das Sanfte, Zarte, Romantische, das es für diesen Song braucht, so abliefern kann…. natürlich kann sie, und sie hat dem Song dadurch das gewisse Etwas verliehen. Ebenso z.B. der Oboist, das ist der Bruder einer Kollegin, das hat sich zufällig im Gespräch ergeben, und hat dann alles sehr gut funktioniert. Auch mein Uralt-Freund Michael Ocker war erst überrascht, dann aber voll dabei und hat als Gast-Sänger genau so abgeliefert wie ich ihn in Erinnerung hatte und weswegen ich ihn für diesen Song angefragt hatte. Es ist also wirklich alles sehr glatt gelaufen.
Rock Castle: Da sprichst Du gerade indirekt den Song "Life Without You" an. Der Song besitzt enormen Ohrwurmcharakter. Auch kehrt die prägnante Melodie später im Album wieder. War das so gewollt oder hat sich das erst später quasi als kleines Leitthema herauskristallisiert ?
Mikey: Ja, es war von Anfang an geplant, ein Album zu schreiben bei dem sich Themen und Melodien immer wieder wiederholen.Die allererste zum Beispiel, die „Welcome“-Melodie kommt in den Tracks 2, 4,12,13, und natürlich in der „Underture“, dem Grande Finale, vor. Wie überhaupt fast alle hooklines im Schlußtrack wieder auftauchen. Das „Schneeflocken“-Thema, das die Oboe im Track 14 „All my friends are dead“ spielt, wird bereits im Track 12 kurz angekündigt, und die Tracks 3 und 15 bilden einen zusätzlichen Rahmen, dadurch, dass die zweistimmigen Gitarren im einen Song den Chorus des jeweils anderen spielen. "Life without You" hat natürlich trotzdem eine Sonderstellung, weil das meiner Meinung nach der kommerziellste, popigste Song auf dem Album ist. Wir wollen ja möglichst viele Menschen mit unserer Musik erreichen und glücklich machen.
Rock Castle: Arbeitest Du das alles im Detail alleine aus, oder holst Du Dir den ein oder anderen Input von den Mitmusikern oder sonstigen Personen ?
Mikey: Im allgemeinen ist das alles auf meinem Mist gewachsen. Für die Soli lasse ich den Musikern weitestgehend freie Hand, das hat sich als sehr gut herausgestellt. Wenn nicht gerade ein Melodiebogen wiederholt werden soll ist es am besten, den Solisten in seinem Metier aufgehen zu lassen.
Rock Castle: Wie kam es zu der Idee mit dem Reichstagsgebäude als Albumcover ? Klar, es ist nicht immer ein Rodney Matthews artwork verfügbar. Aber, gibt es einen näheren Bezug zum Albumtitel "At The Circus" oder mit dem losen Konzept ?
Mikey: Ja, das Cover, das ist entstanden aus einer Brainstorm-Runde mit meinem damaligen Mann bei der Plattenfirma (das Album hätte ja eigentlich, wie die Vorgänger auch, über’s Label veröffentlicht werden sollen),
und ich hatte ursprünglich so Ideen wie Clowns und Zirkusartisten für’s Cover. Aber mein Label-Mann hat gesagt, „Nein, das geht nicht, Clowns sind eher abschreckend, dann verkauft sich’s nicht“. Ich hab dann irgendwo so’n Satire-Dings gesehen, da hatte jemand ein Zirkusdach auf den Reichstag gefotoshopped, und das Album heißt At The Circus, da hab ich den Reichstag als Cover vorgeschlagen und der hat den Zuschlag gekriegt.
Gut, das ganze Leben ist irgendwie ein Zirkus, aber so frech zu sagen, dass alle Politiker Clowns wären, bin ich dann doch nicht.
Rock Castle: Gut, diplomatische Antwort, ha ha. Anderes Thema. Ich bin jetzt überfragt, ob Du jemals mit Starquake ein oder mehrere Livekonzerte gegeben hast. Wäre das überhaupt von Deiner Seite aus möglich ? ich meine, es wären ja dann doch auch einige Gastmusiker nötig.
Mikey: Es wäre grundsätzlich möglich, hat noch nie stattgefunden, und wird wahrscheinlich auch nie passieren. Ich sehe Starquake immer noch als reines Studioprojekt. Wenn, und das ist ein großes WENN, es mal so weit kommen sollte, dass ich konkret gefragt werde, ob ich mit Starquake irgendwo auftreten möchte, würde ich die Hauptmitmusiker, Schlagzeuger, Organist, die zwei Solo-Gitarristen fragen, ob sie mitspielen würden. Mit jedem einzelnen hab ich schon live zusammengespielt oder bin immer noch in einer Band zusammen, ich weiß also, dass es funktionieren könnte. Dann müsste allerdings wirklich alles passen, von Zeit, Logistik bis hin zu Bezahlung, die leider nicht vernachlässigt werden darf. Also es wird wohl vorerst eher nix mit Starquake LIVE.
Rock Castle: Schade, nun gut. Du sagst Du bist mit manchen Musikern immer noch in einer Band zusammen ? Darf man da Näheres drüber erfahren ?
Mikey: Mit dem Schlagzeuger und dem Organisten, die seit dem ersten Starquake Album an Bord sind (streng genommen waren sie sogar schon vorher auf dem MIKEY solo Album A Matter of Time dabei), spiele ich in einer 70s Classic Rock und Blues Cover Band namens Boxhead. Wir spielen viel Deep Purple, Uriah Heep, Led Zeppelin, etwas Black Sabbath, Beatles, The Who, Pink Floyd, also einiges von dem was auch Starquake ausmacht. Es war also naheliegend die beiden Herren zu „verpflichten“. Als kleiner Bonus sind auf diesem Album auch der Bassist und der Gitarrist von Boxhead auf jeweils einem Song vertreten, also ein kleines Familienunternehmen.
Rock Castle: Mein Eindruck war, so auch in der Review nachzulesen, daß das Album so ab "Train To Nowhere" von der recht progressiven Art und Weise in mehr Classic-/Hard Rock übergeht. Ohne aber gänzlich auf Akzente des Progrocks zu verzichten. Würdest Du dem zustimmen und wenn ja, wurde der Dramaturgie wegen ab der Mitte des Albums bewusst etwas rocklastiger komponiert ?
Mikey: Spannende Frage, ich hätte es eigentlich eher anders herum interpretiert. Die Songs werden gegen Ende immer länger, wir unternehmen auch mal einen kleinen Ausflug in den Jazz, die Oboe ist sicher eher selten im Classic Rock zu finden…Und ich hab das Album auch nicht in der Reihenfolge Track 1-17 chronologisch komponiert, zum Beispiel ist Song 5 „Nu Knots“ deutlich nach Titel 7 „Life without You“ entstanden. Da hab ich dann auch bewusst drauf geachtet, dass die beiden tonartlich zusammenpassen. Ich glaube, das ist das Schöne an Starquake, dass es immer irgendwie rockt, aber auch immer ein bisschen was proggig angehauchtes dabei ist.
Rock Castle: Auf der Starquake Website steht sinngemäß geschrieben, daß "At The Circus" fast nicht erschienen wäre und das dies nichts mit der Covid Pandemie zu tun hätte. Wenn man mehr wissen will, sollte man Dich fragen. Dann machen wir das mal. Was war los ?
Mikey: Ich bleib mal vage, ist dann doch eine sehr private Sache, ich formulier’s mal so: ich hatte im Sommer 2022, so massive gesundheitliche Probleme, dass ich mich fast nicht mehr um Starquake hätte kümmern können, und ohne den Kopf wäre das Projekt begraben worden, ohne dass die CD veröffentlicht wird.
Jetzt is wieder alles so weit so gut, und ich arbeite schon wieder an Ideen für’s nächste Album.
Rock Castle: Hast Du da schon konkrete Vorstellungen für ein nächstes Album oder lässt Du Dir da lieber noch etwas Zeit. Immerhin ist das aktuelle Album ja erst vor Kurzem herausgekommen...
Mikey: Ja, ein paar Ideen sind wie gesagt da, es wird aber wohl noch dauern bis ich mich ernsthaft damit befasse. Ich weiß auch noch nicht so genau wo die Reise hingehen soll, nach so einem Konzeptalbum, das viele das beste Starquake-Album bisher nennen, wird’s schwer nachzulegen. Vielleicht mach ich mal was ganz anderes, bisschen mehr Elektronik, etwas mehr Jazz, vielleicht auch komplett akustisch… ich weiß es noch nicht, mal sehen.
Rock Castle: Deine musikalischen Geschmäcker scheinen ja sehr verschieden zu sein. Mit welcher Musik bist Du denn aufgewachsen und vielleicht sogar Fan von geworden ?
Mikey: Ui, da machen wir jetzt ein großes Fass auf...Ich war schon immer musikbegeistert, ich hab immer Musik gehört, und immer gesungen. Eine Geschichte, die mir mein Vater erzählt hat ist die, bei der er morgens um halb 4 aufwacht weil er Musik aus dem Wohnzimmer kommen hört. Und im Wohnzimmer sitzt der kleine MIKEY und hört „Ein Männlein steht im Walde“. Da war ich 4. Der große Paukenschlag kam, da war ich ca 6 Jahre alt. Ein Cousin meiner Mutter hat mir das rote und das blaue Doppelalbum der Beatles vorgespielt und dann auch noch auf Cassette gezogen, so dass ich sie mitnehmen und zu Hause immer wieder hören konnte. Ab da war’s wirklich um mich geschehen, zu jedem Anlass hab ich mir neue Beatles Alben gewünscht, gekauft, einmal sogar bei einem Gewinnspiel im Radio zwei gewonnen, und alles rauf und runter gehört, sogar die Songbooks gelesen, so dass ich schon etwas englisch konnte bevor es Schulfach war. Ein weiterer ganz wichtiger Einfluss war mein Freund Wolfgang, der mich in den 70ern und 80ern mit ABBA und Queen versorgt hat - und ganz nebenbei bemerkt auch mit Spock’s Beard Mitte/Ende der 90er. Über einen Schulkameraden kam ich in den frühen 80ern zu IRON MAIDEN, etwas später zu Metallica und Slayer.Einer der wichtigsten in meinem musikalischen Leben war aber tatsächlich mein Klavierlehrer Karl Grimm. Der hat von Anfang an nicht nur darauf bestanden, dass ich Bach, Beethoven und Mozart lerne, sondern mich eben auch für ein Konzert Yesterday einstudieren lassen. Er hat mich auch in den Kirchenchor gebracht, den er dirigiert hat, und mir eine ganz neue Welt eröffnet. Ich hatte sogar eine Phase, da hab ich Beethoven Symphonien gehört und versucht in der Partitur mit zu lesen (gut, da war ich nicht wirklich erfolgreich, aber egal)...Heute ist das alles verschmolzen zu einem Musikgeschmack, der versucht offen für alles zu sein. Ich mag sehr vieles was heftig, laut und FETT ist, dabei aber nicht Melodie und Harmonie vergisst.
Manchmal darf’s aber auch eine kleine feine Melodie sein wie „Ein Männlein steht im Walde“, und der kleine MIKEY sitzt im Wohnzimmer….
Rock Castle: Wieviel verschiedene Instrumente spielst Du denn ? Und singen tust Du ja auch noch. Gibt es da einen Fokus auf ein Instrument oder den Gesang ? Ich meine, es benötigt ja alles auch permanenter Übung und Verbesserung...
Mikey: Ich spiele Klavier, somit auch etwas Synthesizer und Orgel, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Wirklich echt gelernt hab ich nur Klavier, alles andere ist autodidaktisch dazu gekommen. Entsprechend bin ich auch z.B. weit davon entfernt ein Schlagzeuger zu sein. Ich kann schon nen einfachen Beat halten, hab auch in 2 Bands und für Starquake Demo-Aufnahmen schon Schlagzeug gespielt, bin aber nicht wirklich gut. Schon gar nicht für ein CD Projekt, deswegen spielt da mein langjähriger Musik-Freund Jan. Auch bei der Gitarre reicht’s für saubere Rhythmus-Gitarren aber sicher nicht für Soli, deswegen auch hier die Gastmusiker. Bei Boxhead bin ich vorwiegend für den Gesang zuständig, d.h. da bin ich immer einigermaßen gut „im Training“, an den Instrumenten ist’s tatsächlich immer ein auf und ab, je nachdem welches Instrument mich gerade mehr anspricht, oder auf welchem ich gerade mehr komponiere.
Rock Castle: Kommen wir mal langsam zum Ende hin. Wenn jemand Starquake noch nicht kennt, wie würdest Du den Leuten Dein Projekt näherbringen wollen. Klar, man kann auch unsere Reviews lesen und feststellen, welch tolle Musik hier entstanden ist, aber bitte mal mit Deinen eigenen Worten....
Mikey: Wenn dir die Beatles, Queen und IRON MAIDEN gefallen, wenn du Rockmusik auch mal bisschen aber nicht ZU anspruchsvoll magst, wenn du dich auch mal eine Stunde non stop komplett mit einem Album befassen kannst, DANN solltest du mal in STARQUAKE At The Circus reinhören, es könnte dir gefallen. Und es ist durchaus erlaubt das Album nicht nur zu streamen, sondern auch bei Bandcamp zu kaufen, ha ha. (Link zur Bandcamp Seite weiter unten - red.)
Rock Castle: Dann danken wir Dir vielmals für dieses feine Interview. Die letzten Worte, wenn Du magst, gehören Dir....
Mikey: Dann sag ich vielen Dank, Erich, für das in der Tat sehr schöne Interview, und schließe, weil ich selbst noch nicht so viel Großartiges gesagt habe, mit Worten des unvergleichlichen Ringo: „Peace and Love“
Interview: Kerbinator (Rock Castle Franken)
Vurry (Sonntag, 05 März 2023 15:32)
� schmackhafte Scheibe, kein Starquark�